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KingKreole 14.04.2005 20:00

Aufruf zur Diskussion! Thema "Modernes Gourmet"
 
Hallo,
Gastronomen, Köche, Laien, Feinschmecker, Mitglieder, Gäste,
das hier ist ein Forum und könnte sicher sehr interessant werden, wenn Ihr hier auch mitmacht.
Als neues Mitglied versuche ich mal ein interessantes Thema anzuschieben.


Heutiges Thema: Modernes Gourmet.


Was erwartet der Gast von der Gastronomie?
Wohin geht der Trend in der Gastronomie?
Womit erreicht man das Interesse der Gäste?

Auf Eure Meinung und heiße Diskussionen freut sich KingKreole

Karl 24.04.2005 16:53

AW: Aufruf zur Diskussion! Thema "Modernes Gourmet"
 
Hallo KingCreole,

Zitat:
Was erwartet der Gast von der Gastronomie?


Aus meiner Sicht einfach beantwortet: Daß sie ihre Arbeit tut.
Was heute in breiten Kreisen der Gastronomie betrieben wird, hat mit Kochen nur noch am Rande zu tun.
Wenn ich heute für teures Geld essen gehe, dann erwarte ich keinen Aufwärmstadel und auch nicht eine geballte Ansammlung von Convenience, sondern eine handwerklich solide Leistung.
Leider ist das heutzutage eher die Ausnahme, denn die Regel.
Ein Lokal das 50 Gerichte und mehr anbietet, von Tex-Mex, über italienisch bis hin zu französischen und deutschen Einschlägen, kann keine frische Küche sein, in der wirklich gekocht wird. Dazu kann ich nur sagen: Aufwärmen kann ich mir das Zeug auch zu Hause, wobei sich derlei Produkte in meinem Haushalt ohnehin nicht finden.
Fertige Roux oder demi-glace aus dem Gastrogroßhandel im 20 Liter Eimer, ist in meinen Augen ein Armutszeugnis, das ich mir vielleicht bei einem Caterer noch eingehen lasse, aber ganz sicher nicht in einem Lokal, das dafür ordentlich Geld haben will.

Gruß
Karl

KingKreole 25.04.2005 06:01

AW: Aufruf zur Diskussion! Thema "Modernes Gourmet"
 
Hallo Karl,
Deine Meinung ist Ok. und bestätigt mein Ziel in der Gastronomie.
Ich habe mir erlaubt nach langer Erfahrung in der Branche endlich das zu tun, was ich für wichtig und richtig halte.Ich gehe stur durch mein Konzept und ich gehe keinen Schritt davon ab. D.h. sicher gibts auch noch Schnitzel & Co. aber es verschwindet immer mehr in den Bestellungen. Die meine eigene in Erfahrung gebrachte und erlebte exotische Frischeküche setzt sich durch. Und das zelebriere ich hier schon seit einem Jahr. Ich will niemals mehr Mützen oder Kochlöffel haben. Hatte Löffel schon zuvor ohne es zu wollen, gabs einfach so. Aber da war nur Gourmet und was für ...
Es gab eben das was sich Gäste als Gourmet vorstellten.
Jetzt bin ich nach Jahren wieder hier, koche das moderne Gourmet! Jedes Gemüse, jede Frucht, jedes Produckt liegt dort wo es ohne Verlust an sich selbst gelagert werden muß.
Es gibt nur Frischeküche!- Pelle Zwiebeln, Knoblauch, hacke Kräuter, schneide Bleichselleri, Paprika und... Erst wenn ein Gast bestellt.
Schneide erst das Fleisch vom Stück etc.
Mein Restaurant lebt von der Frischeküche
Hier gibts eifach kein Aufwärmen. Mein Erfolg sagt mir ich bin auf dem richtigem Weg in der Niesche die gefunden werden muß.
Alle Speisen die ich meinen Gästen anbiete, sind meine eignen Kompositonen aus Gelerntem, in der Welt erforschtem und selbst Erdachtem
MG. KingKreole

Karl 25.04.2005 15:17

AW: Aufruf zur Diskussion! Thema "Modernes Gourmet"
 
Hallo KingKreole,

deine Zeilen sind ermutigend und ich kann dich nur ermuntern, diesen Weg beizubehalten.
Wenn man in allgemeiner Form über die Gastromie schreibt, dann sieht man sich immer mit dem Dilemma konfrontiert, daß man einigen furchtbar Unrecht tut, die vom breiten Mainstream abweichen.
Meine Ausführungen sollten also immer mit dieser Grundsatzüberlegung im Hinterkopf gelesen werden. Was heute in der breiten Maße in Restaurants geboten wird ist im Grunde eine einzige Frechheit. Das fängt beim Preis an und hört bei der Qualität der eingesetzten Produkte sowie der Zubereitung auf.
Bevor nun der Sturm der Entrüstung losbricht noch einige Anmerkungen. Ich habe eine betriebswirtschaftliche Ausbildung und berücksichtige die anfallenden Kosten in meinen Überlegungen. Vom Wareneinsatz angefangen, über Gemeinkosten wie Strom, Gas, Wasser bis hin zu den Personalkosten, nebst Pacht. Viele Betriebe sind auch durch desaströse Brauereiverträge geknebelt und werden regelrecht ausgeblutet.
Ohne eigene Immobilie und ein entsprechendes finanzielles Polster würde ich mir selbst einen Gastrobetrieb heute nicht antun wollen.

Für einen "normalen" Gast und ein solcher bin ich bei einem Besuch in einem Restaurant halt auch, spielen diese Überlegungen allerdings keine Rolle. Der sieht was er geboten bekommt und was er dafür bezahlen soll, und hier ist seit der Euroeinführung eine dramatische Schieflage zu diagnostizieren.
Ich wähle stellvertretend mal drei Beispiele, um den Sachverhalt zu verdeutlichen:
1. In einem gut bürgerlichen Lokal hier vor Ort meint man für ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat 14,90 Euro nehmen zu müssen, was bekanntlich knapp 30,- DM entspricht.
2. Bei einem "Chinesen" hier bezahlen ich für eine "Ente" Zubereitung xy zwischen 18,- und 22,- Euro.
3. Der "Italiener" meint für einen Teller Penne Arrabiata 8,50,- Euro nehmen zu müssen.

Schauen wir uns die Fälle mal aus meiner Verbrauchersicht an:
Im Fall des Wiener Schnitzels hat das Lokal sogar seine eigene Metzgerei, was die Sache nochmal billiger macht, als wenn er das im Großhandel beziehen würde. Wenn ich heute zu dem Metzger meines Vetrauens gehe, dann zahle ich für ein ordentliches Stück aus der Oberschale oder Nuß um die 5,- bis 6,- Euro. Den Kartoffelsalat können wir in der Kostenbetrachtung mal getrost außenvor lassen. Eine Spanne von über 200 Prozent im Vergleich zur Zubereitung am heimischen Herd - mir ist das der Spaß nicht wert. Wenn ich die "normale" Durchschnittsfamilie nehme, 2 Erwachsene + 1 Kind : 2x Schnitzel = 30,-
1x Kindergericht = 8,-
2x Bier 5,-
1x Limo 2,-
===
45,- Euro
Sorry, aber für eine solche Trivialität knapp 90,- DM auf den Tisch zu legen, halte ich für inakzeptabel.

Fall 2 : Der "Chinese" . Hier wirds noch derber. Ich unterstelle einfach mal, daß der Vetreter dieser Rubrik auf ein relativ teures Convenience-Produkt zurückgreift, statt die im Verhältnis billigere TK-Ente. Eine halbe Ente, vorgegrillt und vorgewürzt schlägt mit um die 5,- Euro zu Buche.
Den Rest, also Reis, Garnitur etc. können wir der Einfachkeit halber wieder weg lassen.
Wenn ich mal die Mitte aus den vorgestellten Preisen nehme, also 20 Euro dann habe ich eine Spanne von 400 Prozent. Aber Hallo ! Einen ordentlichen Schlag Glutamat gibt's noch als Morgengabe gratis dazu, eine echte Okkasion. Für das Geld mache ich mir zu Hause eine Ente a l'orange für mehrere Personen.

Und jetzt zum ungekrönten Spitzenreiter, unseren italienischen Vertreter.
Was ein Großgebinde Nudeln 10 oder 20 Kilo kostet brauche ich vermutlich nicht zu erwähnen.
Wenn ich das mal äußerst großzügig rechne, dann komme ich auf einen Wareneinsatz von 1,- Euro.
Ergibt in summa eine Spanne von 850 Prozent.

Wenn das alles jetzt wenigstens noch gut wäre !
Ich greife da mal auf unseren italienischen Vertreter zurück. Hier vor Ort gibt es, wie vermutlich überall - den "besseren" Italiener, den mit der gehobenen Speisekarte und natürlich auch den gehobenen Preisen. Es ist schon eine Weile her, da hatte der Gute "Minestrone" auf der Karte.
Gut 6,50 also 13,- DM sind zwar nicht gerade wenig für einen Teller Gemüsesuppe, aber was soll's.
Ich frage also den Kellner, ob die Suppe denn frisch sei - Si, si, selbstverständlich.
Gut also bestelle ich das.
Umso größer meine Überraschung als ich nach ca. 4 Minuten die Suppe auf dem Tisch hatte, nebenbei bemerkt nicht einen Teller, sondern eine kleine Suppentasse - ein vornehmer Laden eben. Das grenzt an Zauberei, oder doch nicht ?
Nach kurzem Antesten war die Sache schnell klar. Die ungleichmäßige Wärmeverteilung sowie das viel zu weiche Gemüse lassen nur einen Schluß zu: Vorgekocht, tiefgekült und Mikrowelle.
Darauf zur Rede gestellt große Aufregung und Empörung: Wir und Mikrowelle, nie und nimmer.
Meine Frage allerdings, wie man es in 4 Minuten schafft, das Gemüse so zu zerkochen blieb bis heute unbeantwortet.
Ich verzeihe einem Lokal fast alles, aber nicht, wenn man versucht mich zu verarschen.

Last but not least noch mein Lieblingsfall für gepflegte kulinarische Freuden. Auf die Nennung von Namen verzichte ich, man sei aber versichert, daß es wahr ist.
Einer der größten Kostenfaktoren in der Gastronomie ist ja bekanntlich das Personal, trotz der teilweisen Hungerlöhne. So ein Koch kostet eben durchaus Geld, Geld das man doch im Grunde sparen kann. Unser Beispiel - nachfolgend "Der goldene Löffel" genannt, hat da eine pfiffige Idee.
Statt eines teuren Kochs fliegt man in bestimmten Intervallen eine Kochbrigade über eine Zeitarbeitsfirma ein. Die Jungs machen sich behende an' s Werk und zaubern all die "Köstlichkeiten", die in den nächsten Wochen die Speisekarte zieren sollen.
Fertig angerichtet marschiert das dann in die Schockfrostung und die Brigade rückt wieder ab.
Einen Koch braucht es jetzt eigentlich nicht mehr - vielleicht noch für' s Kurzgebratene.
Stattdessen genügt ein "Aufwärmer" der die Leckereien zu Schichtbeginn in den Konvektomaten wuchtet und dann einige Stunden später, wenn die ersten Gäste eintrudeln, das obligate Salatblatt plaziert.
Für die Kosten - und Gewinnmaximierung des "Goldenen Löffel" ist das sicher eine 1a Idee, für den Gast eher nicht. Warum ich für eine solche Krankenhaus- oder Kantinenküche die exorbitanten Preise zahlen sollte, die im "Goldenen Löffel" dann dafür gefordert werden, bleibt unbeantwortet.

Mit den geschilderten Fällen will ich eines sagen: So wird man sich über kurz oder lang das Geschäft selbst ruinieren. Wenn ich essen gehe, dann will ich Qualität. Stimmt die Qualität, dann zahle ich dafür auch gerne ordentliche Preise.
Für das hier geschilderte zahle ich keinen müden Euro, weil ich solche Lokale nach einmaligem Besuch nicht mehr betrete.

Gruß
Karl

KingKreole 25.04.2005 22:25

AW: Aufruf zur Diskussion! Thema "Modernes Gourmet"
 
Hallo Karl,
vielen Dank für Deinen fantastischen Beitrag.
Es steht wirklich so schlimm und ich behaupte fast noch viel schlimmer um die Gastronomie. Aber das ewige Gejammer der Gastronomen wegen rückgängigen Umsätze. Komischerweise gibt es aber genug Gäste, nur sind sie eben kritischer geworden und das mit Recht.
Ich gehe eigentlich nirgends mehr zum Essen weil ich keine ewig mäkelnde Kollegin aus der Branche bin, nein weil mich meine Kollegen zu arg enttäuschen.
Ein Beispiele aus der nahen Umgebung meines Wirkungskreises.
Also da ich täglich in meiner Küche stehe und für meine Gäste koche, aus Sparsamkeitsgründen im ersten Geschäftsjahr selbst putze, wasche und was so dazugehört, dann noch die Einkäufe. Dachte ich mir so im letzten August mich mal zu belohnen. Da gibt es eine Burg mit Speiserestaurant in meiner Nähe.
Also lass ich mich mal schön bekochen auf der Burgterrasse.
Alles sah um mich rum sehr schön aus, die wunderbare Aussicht auf das Tal. Ich war völlig entspannt und da auf der Monströsen, riesigen aus der Druckerei fein säuberlich und fest geschriebenen Karte fangfrische Forelle "Müllerin" stand ging es mir noch besser. Mein Mann entdeckte auch noch Pfifferlinge nach Art d. Hause in feinem Rahm mit fr. Kräutern und hausgem. Semmelknödeln. Toll - also beide Gerichte bestell.
Die dazugehörenden Salate kamen so blitzschnell, dass ich fast erschrocken war. bei näherem hinsehen - alles klar. Die waren schon zu früherer Stunde aus der Dose auf die Teller gekommen und fein Garniert mit 2 Blättern vom auch schon gähnendem Kopfsalt und frischgehackten TK Kräutern - streufähig natürlich.
Ich stocherte darin rum um wenigstens das Dressing als hausgemacht definieren zu können. Habe ich aber lieber nicht probiert, da sich beim stochern ein ca 15 cm langes pechschwarzes Haar um die Gabel wickelte.
Genau da kam die Bedienung mit den Pfifferlingen für meinen Mann und der Hiopsbotschaft aus der Küche - Forellen sind leider aus was ich ansonsten möchte. Ja eigentlich wollte ich nichts mehr. Das habe ich auch so gesagt und 2 Min. später kam der Koch direkt an unseren Tich mit fadenscheinigen Ausreden. Ist ja nicht so schlimm wenn mal was ausgeht, nun hats mich eben mal getroffen. Er bot mir ein Wiener Schnitzel an und da ich immernoch so verdaddert war wegen dem Haar das sich noch auf der Gabel befand und der Koch österreichischen Dialekt sprach, sagte ich automatisch "Na gut".
Keine 10 Min. später stand das Wiener Ding da, in einer etwas eckigen Form.
Ein schönes Pressfleischschnitzel aus der Fritteuse und Wiene war die wässrige Zitronenscheibe. Wahnsinn da für die wiener Variante incl. Salat -Dosenfutter 13,90 € zu Buche standen. Mein armer Mann kaute auf den gummiartigen TK -Pfifferlingen rum und kämpfte mit den Semmelknödeln aus der Tüte, die sich immerwieder an den Gaum hängten. So konnte er mir nicht sagen ob es ihm schmeckt. Mein Wiener Ding hatte ich vorsichtshalber nicht berührt.
Die Bedienung war schockiert ich war wütend und der Koch saß an der Theke beim Bier. Die Rechnung kam wir zahlten und fertig war mein erster und letzter Restaurantbesuch auf der Burg.
Gruß KingKreole


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