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black-brown-white 30.09.2010 23:43

Küche der Roma und Sinti
 
hallo zusammen! der umgang mit diesem volk geht mir sehr nah und nachdem grad wieder gehetzt wird und ich was in der zeitung fand, dachte ich mir ich stells ein. ich frag mich schon länger, welche kochtradition roma und sinti haben. dass was wir zigeunerschnitzel nennen, scheint sogar was mit ihnen zu tun zu haben.
vorallem die abgewöhnmöglichkeit von alkohol finde ich höchst spannend!!!

anbei ein bericht des derstandard vom 30.9.10

Küche der Roma
Kraut und Igel
30. September 2010, 17:12

* Artikelbild: In Frankreich werden Roma massenweise nach Rumänien abgeschoben. Damit geraten auch die mannigfaltigen kulinarischen Traditionen des "Fahrenden Volkes" in Gefahr. - Foto: Reuters/RADU SIGHETI

In Frankreich werden Roma massenweise nach Rumänien abgeschoben. Damit geraten auch die mannigfaltigen kulinarischen Traditionen des "Fahrenden Volkes" in Gefahr.
* Artikelbild: Sesshaft wurde Esméralda Romanez erst im Jahr 1995 nach 46 Jahren "auf der Reise", wie sie sagt. Sieben Kinder hat sie in einem Pferdegespann großgezogen. Seitdem hat Romanez mehrere Bücher veröffentlicht, darunter eines der wenigen Bücher über die Küche der Roma. Madame Romanez ist eine schillernde Figur unter Frankreichs Roma und Vorsitzende mehrere Vereine. Sie ist französische Delegierte beim Forum der Rechte der Roma im Europarat und Vizepräsidentin der europäischen Lobby für Roma-Frauen. In den letzten Wochen kritisierte sie massiv die Politik von Frankreichs Präsident Sarkozy. "Sarkozy deportiert Roma nach Rumänien und stigmatisiert gleichzeitig die Zigeuner in Frankreich - wir alle müssen eben wieder einmal als Sündenbock herhalten." - Foto: privat

Sesshaft wurde Esméralda Romanez erst im Jahr 1995 nach 46 Jahren "auf der Reise", wie sie sagt. Sieben Kinder hat sie in einem Pferdegespann großgezogen. Seitdem hat Romanez mehrere Bücher veröffentlicht, darunter eines der wenigen Bücher über die Küche der Roma. Madame Romanez ist eine schillernde Figur unter Frankreichs Roma und Vorsitzende mehrere Vereine. Sie ist französische Delegierte beim Forum der Rechte der Roma im Europarat und Vizepräsidentin der europäischen Lobby für Roma-Frauen. In den letzten Wochen kritisierte sie massiv die Politik von Frankreichs Präsident Sarkozy. "Sarkozy deportiert Roma nach Rumänien und stigmatisiert gleichzeitig die Zigeuner in Frankreich - wir alle müssen eben wieder einmal als Sündenbock herhalten."
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Esméralda Romanez, die die Roma beim Europarat repräsentiert, beklagt, dass die kulinarische Tradition des "Fahrenden Volkes" von der Auslöschung bedroht ist

Die Zeiten sind vorbei, da auf heimischen Speisekarten noch massenhaft Zigeunerschnitzel, -spieße, -toasts und sonstige Gerichte lagerten, die sich allesamt durch die reichliche Verwendung roten Paprika-Wurlis und/oder -Pulvers auszeichneten. Anderswo aber werden die Klischees des "Fahrenden Volks" weiterhin auch kulinarisch dekliniert. Italiens Kochbücher sind voll mit Rezepten "alla zingara". Selbst den Franzosen sind Boeuf, Filet mignon und Poulet mit einer durchaus luxuriösen Garnitur à la tsigane (mit Schinken, Pökelzunge, Champignons, Trüffeln, Tomatensauce, Estragon und Madeira) alles andere als fremd.

Doch wie sieht es wirklich aus mit der Küche der Roma, Sinti und "Manouches", wie sie in Frankreich auch genannt werden? Gibt es tatsächlich Gemeinsamkeiten in den Küchen all dieser Völker? Für die Roma-Aktivistin Esméralda Romanez, Autorin des Kochbuchs La cuisine gitane, besteht da kein Zweifel: "Es gibt sehr wohl Elemente, die sich in allen unseren Küchen und quer durch Europa immer wieder finden."

Bocolin Machegue

"Ein typisches Gericht aus dem Mittelmeerraum sind zum Beispiel Bocolin Machegue - kleine Sardinen-Krapfen. Und ein anderes, das es wahrscheinlich überall gibt, ist der Chartchouklo, ein Sauerkraut-Eintopf. Man kocht das Kraut mit Bruchreis, Speck, Huhn, Schweinsrüssel und -ohren, weiters scharfer Paprikawurst und Tomatenmark." Auch die gefüllten Krautblätter Sarma gebe es in Südwestfrankreich genauso wie am östlichen Balkan. Überhaupt sei die Verwendung von Kraut und Kohl durchaus definierend für die Küche der Roma. Warum das so ist, weiß auch Esméralda Romanez nicht genau - einen Verdacht hat sie aber wohl: "Die Happeln waren einfach schnell zu schnappen. Unsere Vorfahren mussten eben sehen, wie sie über die Runden kamen", meint sie lachend.

Ein Wildtier, das in der kulinarischen Tradition des "Fahrenden Volkes" eine durchaus zentrale Rolle spielt, ist ein anderer Geselle der Landstraßen - der Igel. "Oh là là", sagt Madame Romanez händeringend, "was die Gadjé (Nicht-Roma) uns für einen Krieg liefern wegen des Igels!" Der ist nämlich seit Mitte der 1970er-Jahre in Frankreich geschützt und darf nicht mehr gejagt oder gar gegessen werden. "Das wird unglaublich genau kontrolliert", ärgert sie sich. "Wenn man mit einem Igel im Topf, Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe angetroffen wird, setzt es eine saftige Strafe. Der Tierschutzverein klagt obendrein - und glauben Sie mir: Die Gendarmen suchen immer danach."

Dabei sind die Roma, so Romanez, ja auch keine Idioten. "Wir haben über Jahrhunderte gelernt, respektvoll mit der Natur umzugehen; wir sind Sammler und Jäger, und wir wissen, was wir nehmen dürfen, ohne Schaden anzurichten." So jage man die kleinen Nager erst, wenn sie eine gewisse Größe erreicht hätten - und Weibchen seien sowieso tabu.

Die Eigenschaften des Igels aufnehmen

Traditionell wird Igel auf zweierlei Arten zubereitet: Einerseits kann man ihm einfach die Haut abziehen, mit Knoblauch schmoren und danach zu einem Flan verarbeiten - oder aber man packt ihn samt Fellkleid in nassem Ton und bäckt ihn langsam in der Glut. "Bricht man den Ton-Mantel dann auf, bleibt der Stachelpanzer daran hängen," sagt Romanez. Der Verzehr des Igels hat für die Roma seit Jahrhunderten auch eine symbolische Bedeutung: "Es geht darum, die Eigenschaften des Tiers aufzunehmen: seine Unabhängigkeit, seine Fähigkeit, sich zwecks Verteidigung einzurollen - und seine Kampflust. Er ist ein ziemlich kämpferischer Bursche, müssen Sie wissen." Schmecken würde er jedenfalls vorzüglich, bekräftigt Romanez, wunderbar zart und schlicht unvergleichlich.

Speisen, die auf die Ursprünge der Roma am indischen Subkontinent zurückzuführen sind, kennt Madame Romanez keine. "Wir verwenden allerdings tatsächlich viel Paprika - aber auch Kurkuma und Kardamom." Doch weil sie eben Sammler und Jäger seien, kennen sich die Roma auch mit Wild- und Heilpflanzen sehr gut aus. "Das ist uraltes Wissen, das zum Teil sicher noch mit unseren Vorfahren aus Indien gekommen ist. Medizinische Versorgung hatten wir meistens keine. Krankenversicherung ebenso wenig. Dadurch mussten wir diese Kenntnisse bewahren, um uns selbst zu heilen."

Da es bei den Roma so gut wie keine schriftliche Tradition gibt, seien die meisten Rezepte für Speisen und Medizin mündlich und über Generationen weitergegeben worden. "In meiner Familie gibt es zum Beispiel ein Spitzenrezept gegen Alkoholismus - eine der Geißeln unseres Volkes. Dafür sammelt man im Frühjahr reichlich Eichenknospen und kocht diese stundenlang ein." Die dicke, fast teerartige Flüssigkeit enthält "die Tannine der Eiche" laut Madame Romanez in "besonderer Konzentration": "Nur fünf Tropfen davon unbemerkt ins Glas des Trinkers geben - glauben Sie mir: der trinkt nie wieder!" (Georg Desrues/Der Standard/rondo/01/10/2010)


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