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Taillevent 09.06.2006 12:38

Umfang der Weinkarte
 
Hallo,
was glaubt ihr, wie umfangreich sollte in einem guten Restaurant die Weinkarte sein?

In vielen guten Restaurants bekommt man eine Weinkarte, die eher die Bezeichnung Weinbuch verdient. Obwohl mir das Studium eines solchen Weinbuches durchaus Spaß macht, sehe ich auch ein paar Probleme:

1) der nur durchschnittlich Weinkundige ist hoffnungslos überfordert. Es nagt an seinem Selbstbewusstsein, dass er viele Namen liest, die ihm nichts sagen. Wenn er Glück hat, gerät er an einen fachkundigen Weinkellner, der ihm weiterhilft. Dafür wäre aber das Weinbuch nicht notwendig gewesen.
2) in Begleitung meiner besseren Hälfte frage ich mich oft, wie lange darf ich lesen, ohne dass es unhöflich ist. Ich stelle es mir nicht sehr kurzweilig vor, wenn der Begleiter eine halbe Stunde als Gesprächspartner nicht zur Verfügung steht.

Ich freue mich schon auf eure Antworten
Taillevent

André Cis 09.06.2006 18:49

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo Taillevent,

eine wahrlich gute Frage die du da (in den Raum) stellst ;)

Vor kurzem habe ich zu diesem Thema eine Kolumne im Österr. Sommelier-Magazin (interne Vereinszeitung des SOVÖ) gelesen die mir sehr aus der Seele gesprochen hat und sicherlich den Nagel auf den Kopf trifft.

Nicht Quantität ist für mich aussagekräftig sondern Qualität des Gebotenen bzw. der Art. HALT ANDRÉ werden jetzt viele sagen... denn gerade viele dieser "Bücher" mit 500 Positionen und mehr listen doch nur die "Top-Gewächse" auf.
Sicher... ich spreche auch nicht diese Art von Qualität an.
Ich finde es immer viel spannender und ansprechender wenn eine persönliche Handschrift (d. Hauses) erkennbar ist. D.h. dass nicht nur auf "Namen" gebaut wird.. an denen ich ablesen kann von welchen Importeuren das Lokal seine Weine bezieht. Ich freue mich immer wieder auf Weinkarten die dem Lokal und seinen Speisen Rechnung tragen... es reichen ja die "passenden" Weine.. wozu 300 mehr :rolleyes: Spannend immer wieder tolle Weine von kleinen, nicht so bekannten Winzern zu genießen (die meist auch ein tolles PLV haben). Somit können und sollen Karten auch Geschichten und Philosophien transportieren.. nicht nur schnöde Information sein.

Apropos Information:
Mal ehrlich... was ist denn ganz banal die wichtigste Info die (abgesehen vom Preis :D ) mir hilft einen Wein auszusuchen?? NA.... NATÜRLICH DER GESCHMACK ... aber verdammt noch mal woher soll ich denn all diese Weine "kennen"... keine Ahnung wie die denn schlussendlich Schmecken.. bei 15 verschiedenen Merlots... also .. leider eine absolute Rarität obwohl so sonnenklar:
Schreibe zu den Weinen eine kurze BESCHREIBUNG... und der Gast wird sich freuen

Ach ja.. vom "Lesen" her.. einfach zu 2. machen!! :p

Bonito 11.06.2006 00:59

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo,

also insoweit, als das in erster Linie die Qualität stimmen sollte, kann ich André schon mal zustimmen - wobei das eigentlich in einem guten Restaurant Vorraussetzung sein sollte. Und zum Umfang - finde ich schwierig zu beantworten, weil dies jedem Restaurant selbst überlassen ist. Ich denke aber, ein Restaurant, dass eine feinere und ambitionierte Küche bietet, sagen wir mal nur als Richtwert ab 12 Punkte GM, sollte dem Gast auch eine angemessene Weinauswahl bieten. Diese sollte sich nicht nur an der eigenen Küche orientieren, sondern dem Gast die Möglichkeit bieten, weitestgehend auch Weine aus den persönlich favorisierten Anbaugebieten zu wählen. Für mich würde es da bei etwa 30 bis 50 Weinen starten.

Gegen ein großes Angebot ist eigentlich nichts zu sagen, allenfalls ist es anzuerkennen, da mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden und so beim Gast fast keinWunsch unerfüllt bleiben muss. In besternten Restaurants ist eine riesige Auswahl von bis zu über 1000 Positionen ja fast obligatorisch und wird teils auch erwartet. Wer sich hierdurch einschüchtern lässt, der sollte über seinen Schatten springen und die Größe haben, zu seiner eingeschränkten Kenntnis zu stehen - man kann eh nicht alles wissen, dazu ist das Gebiet viel zu weitläufig. Entgegen Taillevent glaube ich aber, das gerade aus diesem Grund in Restaurants mit derartigem Angebot, dem Gast ein Weinkellner beratend zur Seite stehen sollte.



Andrés Rat, die Weine mit Geschmacksangaben und Beschreibungen zu versehen, stimme ich nur bedingt zu. Restaurants der gehobenen Klasse sollten immer einen kundigen Berater zu Verfügung stellen können, und in diesem Fall kann das Gespräch mit dem Gast nichts ersetzen. Beschreibungen auf der Weinkarte wie „vollmundig“ oder „saftig“ finde ich meist ein wenig plump und wenns fachlicher wird à la „feine Tanninstruktur“ o.ä. dann brauchts für den Unkundigen dann doch wieder den Weinkellner, der erklärt, was es damit auf sich hat.



Bezüglich „persönliche Handschrift“ stimme ich André dann wieder zu. Weinkarten die nur so von den „üblichen Verdächtigen“ strotzen sind in meinen Augen wenig originell.

Unser Weinangebot gibt sich mit etwa 100 Positionen zufrieden, für unsere Verhältnisse völlig ausreichend - und auch hierbei gibt es Gäste die sich überfordert fühlen, das ist nun mal so. Aber ich bin ja auch noch da ;)
Ein eigenes Konzept, welches unsere Weinkarte von anderen unterscheidet, gehört natürlich auch dazu.



Gruß, Bonito.

Bonito 11.06.2006 01:00

AW: Umfang der Weinkarte
 
Warum ist meine Schiftgröße jetzt anders?

Admin: Weil Du beim editieren/ändern des Beitrages irgendwie die Schriftart auf Times New Roman mit Size 3 eingestellt hast. Ich habe das korrigiert.

Danke, Admin :)

Taillevent 13.06.2006 22:55

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo Weinfreunde,
Zitat:
Zitat von André Cis
Vor kurzem habe ich zu diesem Thema eine Kolumne im Österr. Sommelier-Magazin (interne Vereinszeitung des SOVÖ) gelesen die mir sehr aus der Seele gesprochen hat und sicherlich den Nagel auf den Kopf trifft.
Leider ist der erwähnte Artikel nicht verlinkt. Wäre sicher eine interessante Diskussionsgrundlage. Aber jetzt weiß ich, woher die Weinkellner ihr Selbstbewusstsein haben. Zur Vermeidung von Missverständnissen, ich schätze Sommeliers, es gibt aber verdammt wenig wirklich gute...
Zitat:
Zitat von André Cis
Nicht Quantität ist für mich aussagekräftig sondern Qualität des Gebotenen bzw. der Art. HALT ANDRÉ werden jetzt viele sagen... denn gerade viele dieser "Bücher" mit 500 Positionen und mehr listen doch nur die "Top-Gewächse" auf.
Sicher... ich spreche auch nicht diese Art von Qualität an.
Ich finde es immer viel spannender und ansprechender wenn eine persönliche Handschrift (d. Hauses) erkennbar ist.
Ja, wenn ein Könner und Kenner am Werk ist....
Zitat:
Zitat von André Cis
Spannend immer wieder tolle Weine von kleinen, nicht so bekannten Winzern zu genießen (die meist auch ein tolles PLV haben).
Diese Problematik habe ich bereits in einem anderen Thread (Weinbegleitung zum Menu) angerissen. Kann funktionieren, wenn es glaubwürdig rübergebracht wird. Die Blue Chips sollten aber (zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit) auch da sein.
Zitat:
Zitat von André Cis

NA.... NATÜRLICH DER GESCHMACK ... aber verdammt noch mal woher soll ich denn all diese Weine "kennen"... keine Ahnung wie die denn schlussendlich Schmecken.. bei 15 verschiedenen Merlots... also .. leider eine absolute Rarität obwohl so sonnenklar:
Schreibe zu den Weinen eine kurze BESCHREIBUNG... und der Gast wird sich freuen
Sei mir nicht böse, André, aber das halte ich für schwierig. Weinsprache ist schwierig, der Laie versteht sie nicht. Wie willst du auf einer Weinkarte erklären, wie 15 verschiedene Merlots schmecken, wo die Unterschiede sind?
Ich muss jetzt eine Pause machen, die Trinkschokolade von BBW wartet auf mich:) .
Vinöse Grüße

Taillevent 13.06.2006 23:40

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo,
es geht weiter:),
@Bonito, ich wollte die Sinnhaftigkeit von überdimensionalen Weinkarten zur Diskussion stellen. Ich denke, dass rational gesehen mit ca 200 Weinen alle Geschmacksrichtungen und Preisklassen abgedeckt werden können. In meiner Dekadenz kann ich ohnehin nie entscheiden, ob zu meinem Hamburger besser Mouton 45 oder Lafite 59 passt:D .
Gerade bei Riesenweinkarten ist ein Sommelier unbedingt nötig, da habe ich mich offensichtlich missverständlich ausgedrückt. Er sollte den Kunden durch die Karte führen, dass der Gast entweder das Gefühl hat, die beste Wahl (selbst) getroffen zu haben oder die optimale Empfehlung bekommen zu haben. Ein schwieriger Job, den nur wenige beherrschen.
Zur persönlichen Handschrift denke ich, dass Geheimtipps die bekannten Namen ergänzen sollen. Eine Weinkarte, die hauptsächlich aus mir unbekannten Namen oder solchen der 2. Garnitur besteht, ist doch ein leises Frusterlebnis.
Geheimtipps zu verkaufen, bedeutet auch erhöhten Zeitbedarf (Erklärungsbedarf) für den Sommelier. Wenn er die hat (natürlich neben einem erstklassigen Fachwissen), lasse ich mich gerne führen. Manchmal funktioniert es auch.

Schöne Grüße

André Cis 14.06.2006 23:02

AW: Umfang der Weinkarte
 
@ Taillevent

ich werde mal nachfragen ob ich die Kolumne abschreiben darf!
Möchte ja keine Copyright-Rechte verletzen.

Bezüglich "Geheimtipp"... du musst ja nicht gleich so weit ausholen.. klar kommt es immer darauf an was man macht. Ich zB habe einiges von kleinen Winzern.. tolle Weine für keine horrenden Summen... nicht mehr und nicht weniger.. die verkaufen sich auch ohne das Attribut "Geheimtipp"... Hingegen sind die "Blue Chips" ... sagen wir zB ein Salzberg vom Heinrich nicht gerade "Verkaufsschlager"... ja.. jeder kennt sie... oder haben viel davon gehört.. einige vielleicht schon mal getrunken... aber bestellen tut's dann kaum einer.
(ps. "2. Garnitur" finde ich in diesem Zusammenhang schlichtweg daneben gegriffen... eine 2. Garnitur ist für mich zB ein Pavillon Rouge von Cht. Margaux)

Bzgl. der "Beschreibung".. klar.. immer schwierig weil ein sehr subjektives Metier..
muss ja nicht zu ausschweifend sein... für mich gilt hier .... immer noch besser eine kurze Beschreibung als GAR KEINE!
Aber es redet ja auch gar keiner davon einen "Sommelier", Weinkellner etc. zu ersetzen... aber trotzdem finde ich das nicht unpassend...
Leider erlebe ich viel zu oft nicht ansatzweise qualifiziertes Personal das mir überhaupt keine Auskunft zu den gelisteten Weinen geben kann ...

Taillevent 16.06.2006 10:39

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo André Cis, lieber Jung-Moderator,

leider scheine ich dich etwas beleidigt zu haben, was eigentlich gar nicht in meiner Absicht lag.

Die Weinkarte eines ***Stern-Restaurants wird natürlich anders ausschauen wie die einer Familienpension. Das ist auch vernünftig. Persönlich glaube ich, dass sehr unterschiedliche Weinkonzepte möglich sind, wenn ein guter Sommelier die Gäste bei der Wahl unterstützt.
Bei der Erstellung des Themas ging es mir um die Frage, ob es (in der Sternegastronomie) einen Sinn macht 1000e von Weinen aufzulisten, wenn der Großteil der Restaurantbesucher damit überfordert ist.
Mit 2. Garnitur meine ich auf keinen Fall einen Zweitwein. Ich dachte an Weinbaubetriebe, die nicht zu den vordersten Aushängeschildern einer Region zählen, deshalb machen sie trotzdem gute Weine, vielleicht nicht in der Regelmäßigkeit oder vielleicht werden sie nur von den Weinjournalisten benachteiligt.

Vinöse Grüße
Taillevent

Karl 16.06.2006 19:06

AW: Umfang der Weinkarte
 
Hallo,

Zitat:
wenn ein guter Sommelier die Gäste bei der Wahl unterstützt.


Ich halte die Frage Sommelier und Unterstützung für ein wenig problematisch.
Klar - kein gutes Haus wird auf einen Sommelier verzichten können oder wollen. Kaum jemand kann bei den vielen Weinen, die auf der Karte stehen, jeden kennen.
Aber grade beim Wein, oder besser gesagt generell in Fragen des Geschmacks, halte ich die Möglichkeiten eines Sommelier doch für sehr begrenzt. Wie schmeckt Banane ? Oder Vanille ? Kann niemand vernünftig beantworten, da sich die sinnlichen Eindrücke weitestgehend der Sprache entziehen.
Der Versuch Geschmackseindrücke zu vermitteln, bleibt daher imho immer eine ziemliche Krücke. Versuche wie "feine Beerentöne", "Veilchenaromen" oder "Leder" klingen zwar erstmal ganz gut, bleiben aber doch weitgehend nebulös und zudem ziemlich subjektiv, um nicht zu sagen willkürlich.

Das nächste Problem das ich sehe, ist, daß der Geschmack des Sommeliers nicht zwangsläufig mit meinem übereinstimmen muß. Wenn der Sommelier also, nur um ein beliebiges Beispiel zu nennen, einen weißen Macon für eine ausgezeichnete Begleitung für Fasan auf Champagnerkraut hält, dann kann es zwar sehr gut sein, daß ihm das schmeckt. Ob mir das dann schmeckt, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

So gesehen ist der Sommelier sicher eine aufmerksame Geste an den Kunden und sicher auch Bestandteil der "Inszenierung" eines Menüs, aber wirklich hilfreich ist er meiner Meinung nach nur in sehr begrenztem Rahmen.

Gruß
Karl

Bonito 17.06.2006 05:29

AW: Umfang der Weinkarte
 
Karl,
bei einer guten Weinberatung durch einen Sommelier geht es eigentlich erstmal darum zu erkennen, was der Gast mag und will um dies dann in Einklang mit seiner Speisenauswahl zu bringen. Irgenwelche Aromen, wie Veilchen oder Leder :rolleyes: sind eigentlich nicht Inhalt einer vernünftigen Beratung!
Gruß, Bonito.


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