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Alt 26.04.2005, 12:27   #1
Karl
Gast
 
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Eine Lanze für das Bodenständige

Hallo liebe Freunde des guten Essen,

ich möchte mit diesem kleinen Beitrag einmal eine Lanze für die althergebrachte, bodenständige Küche brechen, die leider in den Lokalen und Restaurants kaum mehr anzutreffen ist.
Wohl kaum jemand will jeden Tag die High End Gastronomie eines sternegezierten Restaurants genießen, so schön das in Maßen konsumiert sein kann.
Was mich umtreibt sind die schlichten Alltagsgerichte, die zu meiner Kindheit noch Gang und Gebe waren und heute verschwunden zu sein scheinen.
Wieviele italienische Lokale bieten eine gut gemachte Polenta an, verglichen mit den Legionen von Pizza-Pasta Tempeln ? Wo erhalte ich einen frisch gemachten Linseneintopf, ein saures Kartoffelgemüse oder gut gemachte Krautwickerl ?

Ich weiß, es gibt schon noch den einen oder anderen Betrieb, der so etwas gelegentlich anbietet, aber es ist eine kleine kulinarische Diaspora.
Nach meinen Erfahrungen breitet sich eine immer ähnlicher werdende Einheitsküche von Berchtesgaden bis Flensburg aus. Freudlose standardisierte Null Acht Fünfzehn Speiskarten mit den immer gleichen Gerichten. Es findet eine zunehmende Verarmung auf den Tellern statt, was seine Ursachen vermutlich auch maßgeblich bei den Konsumenten hat.
Aber auch das nimmt einen nicht wirklich wunder, wenn man einen Blick in viele private Küchen wirft (auch hier gibt es natürlich Ausnahmen).
Noch nie zuvor war es so einfach zu kochen. Moderne Hightech Küchen, ausgestattet mit allem Komfort machen das Zubereiten von Speisen zu einer vergleichsweise einfachen Übung.
Dank moderner Logistik, geschlossenen Kühlketten stehen dem Verbraucher heute ganzjährig Lebensmittel aus aller Herren Länder in ausgezeichneter Qualität zur Verfügung.
Nur - im bundesdeutschen Küchenalltag schlägt sich das in aller Regel kaum nieder.
Hier regiert Convenience an allen Fronten. Tiefkühlpizza und Mikrowelle bilden ein unheilige Allianz. Da treffe ich in meinem privaten Umfeld auf "gestandene" Hausfrauen, die mir ernsthaft erklären, daß sie sich außerstande sähen, ein Gulasch ohne Maggi-Fix zuzubereiten.
Wie kann es sein, daß in der Küche meiner Großmutter noch unglaublich variantenreicher und aufwendiger gekocht wurde, und das ohne Kühlschrank, ohne Geschirrspülmaschine und all die Annehmlichkeiten des 21. Jahrhundert ?

Die nachwachsende Generation wächst mit einem ungeheuren Verlust an kulinarischen Erfahrungen heran, kein Wunder also, daß auch das Angebot in der Gastronomie zusehends verarmt. Kein Wunder auch, daß Convenience fröhliche Urständ im modernen Bewirtungsgewerbe hält, sorgt es doch für einen postiven "Das schmeckt ja wie zu Hause" Effekt.
Nun wäre es sicherlich falsch, diese modernen Helfer der Küche pauschal zu verurteilen, aber etwas Mäßigung täte wohl. Von den vielen Menschen in meinem Bekanntenkreis haben die meisten ihren Geschmackssinn längst durch diese Produkte ruiniert. Wenn ich mir alleine den Grad an "Süße" anschaue, der von vielen favorisiert wird, dann schauert es mich. Ein normales Eis ist für mich mittlerweile ungenießbar, weil es gnadenlos überzuckert ist.
Mein Zuckerbedarf beträgt ca. 1 Päckchen im Jahr, zuzüglich andere Süßungsmittel wie Agavendicksaft oder Ahornsirup. Diese Produkte verwende ich wie Gewürze, um beispielsweise den Geschmack von Tomaten oder Karotten hervorzuheben, aber nicht in den grotesken Mengen, die heutzutage in vielen Produkten üblich sind.

Nach diesem kleinen Abschweifen zurück zum Thema. Es wäre aus meiner Sicht wünschenswert viel gezielter den Wurzeln unsrer Eßkultur nachzuspüren und die regionale Küche wiederzubeleben. Dann bestünde vielleicht noch Hoffnung, eines Tages wieder eine Schwarzwurzelsuppe statt einem Fertigprodukt, oder Liwanzen statt einem Eis mit heißen Himbeeren auf der Karte wiederzuentdecken.

Gruß
Karl
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