Sanft plätscherndes Wasser, leichte Wellenbewegungen, romantischer Kerzenschein, gedämpfte Atmosphäre und ein großer Wein - Viele Reiseberichte könnten so eingeleitet werden. Aber sind wir ehrlich, die wenigsten über Wolfsburg, dem beschaulichen Industriestädtchen in Niedersachen. Das dem im Jahre 2005 nicht mehr so ist, daran hat ein Mann wesentlichen Anteil: Sven Elverfeld, seines Zeichens Chef de Cuisine im Ritz-Carlton.
Elverfeld ist einer jenen jungen Köche, von denen wir persönlich nicht genug treffen können, um Ihre Kunst zu erleben. In jüngster Vergangenheit wurde uns diese Ehre bei Christian Bau zuteil, der vor kurzem vom Feinschmecker zum Koch des Jahres gewählt wurde. Wie Bau, begreift auch Elverfeld die Küche in erster Linie als seinen Arbeitsplatz, an dem er auf hohem Niveau mit Liebe zum Detail und einer großen Portion Herzblut Spitzenleistungen bringen will, ohne dabei in ein auf den ersten Blick kreatives, auf den zweiten Blick übermäßig künstlerisches Gehabe zu verfallen. Dieses Auftreten vereinfacht nicht nur die Ansprache und Kommunikation mit dem Gast, sondern auch das Arbeiten in einer Küchenmannschaft, in der immer einer der Kopf sein muss, aber keiner autokratischer Alleinherrscher.
Es ist in erster Linie der persönliche Umgang, der eine große Sympathie für Elverfeld entstehen und den Eindruck gewinnen lässt, dass man das Haus als Genießer betritt und als Freund verlässt. Aber es eröffnet Elverfeld auch die große Chance, einem sich innerlich und emotional öffnendem Gast entgegenzutreten, der sich auf Arbeitsweise, Speisen und Komposition, auf höherem Maße einlassen möchte, als ein normaler Konsument. „Involvement“ nennt man diesen Umstand in der Managementsprache und man muss Elverfeld und seiner Mannschaft attestieren, dass es ihm bei beiden unserer Treffen mit natürlicher Leichtigkeit gelungen ist, ein solches in hohem Maß bei uns zu erzeugen. Bei unserem jüngsten Besuch war es daher für umso spannender zu erfahren, wie Elverfeld diese Fähigkeiten am Pass umsetzt.
15 Gänge lang durften wir erkunden, was Elverfelds Interpretation von Kochkunst bedeutet. Spannende, gradlinige und klar interpretierte Speisenkombinationen mit exzellenter handwerklicher Ausführung und - wir hatten es bereits bei unserem Besuch bei Dieter Müller angedeutet - Elverfeld stellt nicht sich selbst, sondern die Zutat als Kernelement der Komposition in den Mittelpunkt. Beginnend beim Amouse Bouche ist es unserem Gaumen vergönnt, Fisch und Fleisch in Perfektion anzutreffen, die den Garungstendenzen von Helmut Thieltgens gleichkommen.
Wo Thieltges’ Waldhotel jedoch enttäuschte, punktet das Aqua in selten erlebter Höhe: dem Sommelier und der damit einhergehenden Weinbegleitung. Jürgen Giesel nimmt sich mit der ihm eigenen Kompetenz und Leichtigkeit dem Gaste an, entführt ihn – diesen Willen zum Fallenlassen vorausgesetzt – in bis dato unbekannte Regionen und steht als Reisebegleiter auch an der oftmals verlustreichen Front zwischen Weinen und Speisen stets auskunftsfreudig zur Verfügung.
Wir betrachten diese Generation von Sommerliers als die „jungen Wilden“, die ähnlich den jungen aufstrebenden Winzern in Deutschland stets versuchen, neue Wege zu beschreiten, trotzdem jedoch althergebrachte und bewährte Traditionen zu wahren.
So passte der doch untypische slowenische Chardonnay hervorragend zum Atlantik Rochenflügel an Pistazienbutter, einer der Spezialitäten von Sven Elverfeld. Er nahm die wesentlichen aromatischen Einflüsse auf und bestand in dieser Kombination, wie man es sich von einem korrespondierenden Wein verspricht.
Auf Empfehlung von Herrn Giesel wurde uns das Weingut Popp in Franken näher gebracht. Hier haben die Brüder Ernst und Johannes die Aufgaben des kürzlich verstorbenen Vaters übernommen und produzieren inzwischen herausragende, manchmal ungewöhnliche Weine wie den 2004er Sylvaner Auslese, der dezent im Barrique ausgebaut wurde. Zusammen mit den offenen Raviolo mit bretonischem Hummer präsentiere sich uns ein absolutes „Dream-Team“.
Es gibt wenig, was man Elverfeld und seinem Team an konkretem Kritikpunkten ins Buch schreiben könnte. Im Gesamtauftritt unter Berücksichtigung des herausragenden Service war unser Besuch sicherlich eine der gelungensten Gesamtleistungen dieses Jahres. Sicherlich: Die ein oder andere Kreation lässt Diskussionsspielraum zu, ob und in welcher Form Beilage und Herzstück harmonieren, so beispielsweise die Gremolata-Cannelloni zum Pauillac-Lammrücken oder der Rosenkohl zum Kürbistörtchen. Aber auch das gehört zu großer Küche, dass sie Luft für Meinungen und Diskussionen lässt und auch einmal aneckt.
Paris hat die Seine, Wolfsburg die Sünde - so möchte man angesichts der Entwicklungen der Vergangenheit doch gerne über dieses Städtchen in Niedersachen titeln. Dass sich dieser Umstand so grundlegend gewandelt hat, daran hat nicht zuletzt VW entscheidenden Anteil. In diesem Zusammenhang muss sicherlich auch Ferdinand Piech genannt werden, der von Jürgen Dollase einmal mit der ständigen Unterforderung, die dem Menschen so schade, zitiert wurde. Und wenngleich wir uns nicht anmaßen möchten, im Detail über seine Entscheidungen zu urteilen, so dürfte er doch mit dieser goldrichtig gelegen haben. Denn die Herausforderung auf höchstem Niveau ist es wohl, die Elverfeld seinem Team zumutet, die aber gleichzeitig Servicequalität und Betreuung auf solch lichte Höhepunkte katapultieren. Ohne abgeklärt zu wirken, sitzt hier jeder Handgriff und ohne gelangweilt zu sein, läuft alles nach Plan. Individuelle Ansprache gepaart mit hoher persönlicher Identifikation - ein Erfolgskonzept, das die Hotellerie des Hauses Ritz-Carlton ohne Zweifel geprägt hat, aber in Verbindung mit Elverfelds Kochkunst ein großartiges Gastronomiekonzept hervorbringt.
Wenn im Texas die Sonne aufgeht, neigt sich im Ritz-Carlton der Tag dem Ende und Sven Elverfeld hat im fünften Wirkungsjahr wieder einigen Genussmenschen einen großartigen Abend bereitet. So glücklich sich der Konzern über diese Konstanz auch schätzen kann, so wünschenswert wäre es sicherlich für ebenso viele, wenn er seine kulinarische Botschaft auch eines Tages mit anderen Winkeln und Weiten der Republik teilen würde.
Küche, die begeistert - Ein Tag mit Sven Elverfeld und seinem Team schlägt jeden Traumurlaub: Spannung, Kreativität und Erholung auf höchstem Niveau.
copyright:
http://www.sternefresser.de