Zum Tasting Menu gibt es ein begleitendes Wein-Menü zum Preis von 90 Pfund.
Die Menüfolge wird zusammen mit der Folge der korrespondierenden Weine in einem versiegelten Umschlag überreicht – hervorragendes Papier; außen fühlt es sich leicht klebrig an – sehr gut geeignet für Visitenkarten.
Zum Einstieg gibt es eine Kreation aus 2001:
Nitro-grünen Tee und Limonen-Mouse verfestigt mit Hilfe von flüssigem Stickstoff.
Darüber kann gestritten werden. Aber wenn schon, dann bitte so wie hier als nachhaltige Geschmackskomposition.
Es folgen drei kleine Küchengrüße, zu denen ein Manzanilla en Rama, Barbadillo gereicht wird:
Auster mit Passionsfrucht-Gelee und Lavendel. – Was für ein Geschmack!
Eiscreme aus Pommery-Kornsenf in einem Rotkohl-Gazpacho – Sensationelle schmeckende Komposition! (bzw. der WOSIEBsche Furz).
Und zum Abschluss als Hommage an Alain Chapel Gelee von der Wachtel, Langustinen-Creme und foie gras-Parfait. Auch das eine wunderbare Geschmackskombination.
Als ersten Gang gibt es Schnecken-Porridge mit Joselito Schinken und geraspeltem Fenchel. Dazu ein 2004er Collioure Rose, La Goude, Domaine de La Rectorie.
War geschmaklich sehr gut. Ob Schnecken (wir haben damit kein Problem) notwendig sind – weiss ich nicht.
Es folgte ein Würfel gebratener Gänseleber mit einem Mandelgel, Kirsche und Kamille. Wunderbar. Begleitender Wein: 2003er Vinoptima Gewurztraminer Reserve, Gisborne, Neu Seeland.
Die zwei Fischgänge:
Zunächst Sardine on Toast-Sorbet, Ballotine von Makrele und mariniertem Daikon-Rettich. Dazu einen Sake: Taisetsu, Takasago, Junmai Ginjo Sake aus Japan (Spitzen Idee – das wird viel zu wenig angeboten!). Harmonierte hervorragend.
Dann der zu Recht viel gepriesene Lachs, ummantelt von einer dünnen Lakritzeschicht, Spargel und über dem Teller rosafarbene Grapefruit-Perlen verteilt. Zunächst ein Augenschmaus und dann ein absolut perfektes Stück Fisch! So gut, dass sogar WOSIEB schreibt: „...und das war nicht nur originell, sondern so delikat, dass ich mir davon ein größeres Stück gewünscht hätte.“ Wir auch!
Dazu 1999er Douro, Quinta Da Leda, Casa Ferreirinha, Douro Valle, Portugal.
Der Hauptgang:
Pochierte Taubenbrust. Endlich mal wieder eine Taube, die ausdrucksvoll nach Taube schmeckt. Was für ein Fleisch! Gewürzt wurde mit Pistazien, Kakao und quatre épices (Gewürzmischung).
Getrunken: 2002er Côte-Rôtie, Domaine Duclaux, Rhonetal.
Blumenthal will beim Tasting Menu – wie jeder andere Koch auch – Einblick in sein Spektrum geben. Das geht nun mal nicht in drei Gängen. Also gibt es halt fünf. (Schon das ist eine Einschränkung.) Dass die Portionen dann kleiner sein müssen, das sagt der Verstand.
Es gibt Bilder von diesem Menü unter
http://www.blogjam.com/2005/07/17/the-fat-duck/. Das sind keine gestellten, sondern so wird tatsächlich serviert. Eine Freude für jeden Ästhetiker.
Für den Übergang zu den Süßen Sachen greift Blumenthal tief in die Küchengeschichte. Er möchte an die Erfinderin der Eistüte die Londonerin, Mrs. Agnes B. Marshall (1855 – 1905), erinnern und serviert als Hommage an sie zwei kleine gefrorene Eistütchen.
Ausflug:
Agnes B. Marshall hat auch eine Eismaschine erfunden, die mit Flüssiggas arbeitet. Mit einer der wenigen noch vorhandenen Originalmaschinen kann innerhalb von 3 Minuten ein Liter Speiseeis gemacht werden. Ein Wert, den keine der gegenwärtigen Maschinen erreicht.
Blumenthal möchte nun die Geschmacksnerven, die noch auf Lachs und Taube programmiert sind, auf Süß umprogrammieren. Dazu gibt es den Kiefer-Brause-Springbrunnen. Ein 4 cm hohes, 2 cm dickes Papierröhrchen, das mit Brausepulver gefüllt ist und in dem eine Vanillestange steckt, mit der man das Pulver lecken kann. Nette Idee – wahrscheinlich ist die Blechtrommel in GB nicht so bekannt und das Lecken von Brause nur aus Bauchnabeln nicht üblich. Ist vielleicht in einem Restaurant auch nicht ganz so einfach zu realisieren. Obwohl F. Adria ja schon mal in diese Richtung gedacht hat.
Hier irrt WOSIEB ein weiteres Mal:
„...Sie wurden ebenso bedeutungsschwer wie albern serviert. Unter anderem sollte man an einem winzigen Flakon riechen, nur riechen, um wahrscheinlich die Engel im Himmel singen zu hören.“
Herr WOSIEB, lecken nicht riechen, dann hätten Sie vielleicht ein Engelchen gesehen.
Nun also das erste Dessert, zu dem ein 1989er Riesling Beerenauslese Reichsgraf von Kesselstadt (Mosel-Saar-Ruwer) serviert wurde: Bayrisch Creme von Lychee und Mango und ein Sorbet aus schwarzen Johannisbeeren. Fantastisch!
Zum Knappern dazwischen hauchdünne Karotten-Orangen-Tuiles und Rotebeetegelees.
Dann WOSIEBS letzter Irrtum:
„...Das funktionierte aber ebenso wenig wie das Tütchen mit Müsli, dessen Inhalt man mit milchähnlicher Flüssigkeit übergießen musste. Was meine Tischdame knurrend kommentierte: »Wollen die mich hier verarschen?«“
Blumenthal will den Abend mit einem Anfang beenden und so serviert er als letzten Gang ein einfaches Frühstück:
Müsli, das in der klassischen Buffetkultur geliefert wird, d. h. in einer Zellophantüte, die sich ihrerseits in einer kleinen Schachtel befindet, und (parfümierte) Milch und danach – das englische Frühstück ironisierend –
Buck’s Fizz (als Orangensaftersatz),
Teegelee, smoked bacon and egg-Eiscreme sowie Arme Ritter (pain perdu).
Spitzen Idee, die auch noch schmeckt!
Statt „pain perdu“ hätte ich auf der Karte den englischen Begriff „Poor Knights of Windsor“ genommen, aber vielleicht ist Kannibalismus in England verpönt.
Zum Abschluss gab’s noch heißkalten Tee und ein violet tartlet.
Dieser Abend hat – erst recht nach allem vorher gelesenen – alle unsere Vorstellungen weit übertrof-fen und wir waren irrsinnig auf die Fortsetzung gespannt.
Ein Wort noch zum Service: Trotz einiger Mängel – siehe die folgenden Anmerkungen – kompetent, freundlich, locker.
Wir sprachen über Blumenthals Ziel, perfekte Pommes frites zu erstellen, und uns wurde versprochen, dass wir morgen welche bekommen.
Kosten:
3 Wasser 13,50
2 Taittinger Comtes Rosé 1999 56,00
2 Tasting Menu 195,50
2 Tasting Wine 180,00
2 Coffe 9,50
Service Charge 56,81
Insgesamt 511,31 Pfund = 374 € pro Person.
Anmerkung „Menüwechsel“:
Blumenthal bietet dieses Menü nun schon länger an. Er nimmt sich einfach die Zeit, daran zu arbeiten und es wieder und wieder zu verbessern. Natürlich ist es für ihn (und F. Adria usw.) einfacher, ein Menü über Jahre zu halten. Aber ist es nicht besser, zu perfektionieren als zu wechseln.
Anmerkung „Servierregeln“:
Auch diese Brigade – wie auch später die im Waterside Inn – ignorierte leider die Servierregeln.
Ich kann das einfach nur bei äußerst ungünstigen Raumverhältnissen akzeptieren.
Restaurantleiter: Achtet bitte darauf. Das hat nichts mit steif oder so zu tun.
Anmerkung „Mundtuch“:
Hände weg von meinem Mundtuch!
Ich nutze meine Serviette zum Abtupfen meiner Lippen bevor ich zum Glas greife. Einerseits weil ich einen reinen Geschmack will und andererseits weil ein verschmiertes Glas mein Auge trübt.
Wenn ich den Tisch verlasse, dann lasst meine Serviette so, wie ich sie hingelegt habe oder gebt mir eine neue. Aber auf keinen Fall nehmen, wieder falten usw. Erstens ist das unhygienisch und zweitens habe ich dann genau die Seite auf der Hose, die die Speisereste enthält. Ich gebe mein Geld lieber für Essen als für Reinigung aus!