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AW: Kohl-Tage. Zweiter Teil!
Kohl-Konjunktur im Ersten Weltkrieg
Einen Boom erlebte der Dithmarscher Kohlanbau in den Jahren 1914 bis 1918 während des Ersten Weltkrieges. Ab September 1914 schnitt die Blockade der Alliierten Deutschland weitgehend von Nahrungsmittelimporten ab. Einheimische Gemüse wie Kohl und Kartoffeln wurden daraufhin zu begehrten Waren, deren Preise stetig stiegen. Großeinkäufe für den Bedarf von Heer und Marine verstärkten die Nachfrage nach Kohl weiter. Auch das Sauerkraut erlebte kriegsbedingt den Aufstieg zu einem überaus gefragten Lebensmittel. Die Zahl der Betriebe, die Sauerkraut herstellten, stieg in Deutschland von 213 auf rund 1.600 in den letzten Kriegsjahren. Kohlsaat wurde zu einem so wertvollen Gut, dass sich auch Langfinger dafür zunehmend interessierten: "Nachts wohnt der Züchter Gewehr bei Fuß bei seinem wachsenden Vermögen", notierte die "Dithmarscher Landeszeitung" im August 1918 über einen Bauern in Schülp, der sein Kohl Feld bewachte. Der finanzielle Anreiz brachte viele Landwirte dazu, den Kohlanbau immer weiter auszudehnen. Sogar auf Flächen der Geest versuchte man es mit dem Kohl. 1918 erreichte die Anbaufläche in Dithmarschen schließlich mit 9.822 Hektar ihren historisch höchsten Stand.
Krise und Modernisierung
In den 1920er Jahren geriet der Kohlanbau in die Krise. Zunächst musste die Überproduktion den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die Anbaufläche sank wieder auf den Vorkriegsstand – 1925 wurde in Dithmarschen auf circa 2.100 Hektar Kohl angebaut. Auch die gegenüber früher stark gestiegenen Kosten für Fracht, Löhne und Zinsen und die übermächtige niederländische Konkurrenz auf dem deutschen Gemüsemarkt machten den Bauern zu schaffen. Zwar wurden als Schutz vor der Konkurrenz höhere Importzölle gefordert, vor allem aber setzte man jetzt darauf, die Qualität zu steigern, um so die Krise zu bewältigen. Eines der zentralen Probleme war die Lagerung von Dauerkohl im Winter. In Dithmarschen wurde überwiegend noch in Erdmieten eingelagert, in denen der Kohl unter günstigen Umständen bis März oder April haltbar blieb. Bei starkem Frost konnten allerdings die Mieten wegen der hartgefrorenen Erde nicht geöffnet werden; bei milden Temperaturen bestand die Gefahr, dass der Kohl zu faulen begann. Die Erdmieten waren zwar kostengünstig, allerdings musste man bei längerer Lagerung mit Verlusten von bis zu 50 Prozent rechnen, sobald der Kohl vor dem Verkauf noch einmal geputzt wurde. Um diesen Problemen zu entgehen und im Winter jederzeit einwandfreie Ware liefern zu können, hatten die niederländischen Gemüsebauern bereits um 1900 mit dem Bau spezieller Kohlscheunen begonnen und so eine starke Position auf dem deutschen Markt erobert. Nach niederländischem Vorbild entstanden dann seit Anfang der 1930er Jahre mit staatlicher Unterstützung auch in Dithmarschen die ersten modernen Kohlscheunen.
Kohl modern
Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren Kohl und Sauerkraut auf dem täglichen Speiseplan viel von ihrer einstigen Bedeutung. Billige Importe anderer Gemüsesorten aus dem Ausland während des ganzen Jahres und das Angebot von Konserven und Tiefkühlkost veränderten die Ernährungs- und Konsumgewohnheiten tiefgreifend. Auf diesen Wandel mußten sich sowohl die Landwirtschaft als auch die verarbeitende Industrie einstellen. Ein Beispiel für die gelungene Anpassung an die neuen Verhältnisse ist das Angebot von "tafelfertigem Rotkohl" seit 1958. Auch beim Sauerkraut veränderte sich etwas: Anstelle des nur begrenzt haltbaren Fass Sauerkrauts produzierte man zunehmend Portionskonserven mit pasteurisiertem Sauerkraut, das sehr viel länger haltbar ist. Im Kohlanbau setzte sich die in Ansätzen bereits in den 1940er Jahren begonnene Mechanisierung durch. Kohlpflanzmaschinen, die von Traktoren langsam über das Feld gezogen wurden, wurden seit den 1950er vermehrt eingesetzt und erleichterten die mühsame Arbeit des Kohlpflanzens. Eine große Arbeitsersparnis brachte die Verwendung von Großkisten bei der Ernte seit den 1960er Jahren. Die Kisten werden direkt vom Feld in die Scheune gebracht. Damit entfiel das mühsame Auf- und Abladen der Köpfe nach der Ernte. Bei der Kohllagerung erfolgte in den 1960er Jahren der Übergang zu modernen Kühlscheunen, in denen der Kohl bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um den Gefrierpunkt acht bis neun Monate frisch gehalten werden kann. Die modernen Pflanzenzuchtmethoden (Hybridzucht), die seit den 1950er Jahren immer bedeutender wurde, ermöglichen heute, die "Zuchtziele" beim Kohl zunehmend einzulösen.
Brassica oleracea....
ist der botanische Name für Wild Kohl. Das einzige natürliche Vorkommen in Deutschland ist auf Helgoland. An den atlantischen Küsten findet man ihn zum Beispiel auch bei Dover. Weitere Wildformen sind rund um das Mittelmeer zu finden. Aus der "mutationsfreudigen" Urpflanze - so wird vermutet - sind alle anderen Arten hervorgegangen. Am nächsten zur Urform ist der Grünkohl. Kopfkohl soll es schon 3000 vor Christus gegeben haben. Eine der jüngsten Formen ist der Rosenkohl. Er verbreitete sich nach 1785 aus der Region um Brüssel und heißt deswegen bis heute in Frankreich "Choix des Bruxelles" und in England "Brussel sprouts". Auch die Ölpflanze Raps gehört zu den Kohlarten und zeigt damit die Vielfalt dieser Pflanzenfamilie
Sauerkraut gegen "Scharbock"
Sauerkraut ist reich an Vitamin C. Was Vitamine sind und welche Funktionen sie haben, war Anfang des 18. Jahrhunderts noch nicht bekannt. Doch der Militärarzt Johann Georg Heinrich Kramer erkannte, der regelmäßige Verzehr von Sauerkraut schützte vor der Mangelerkrankung "Scharbock" oder eben "Skorbut". 1735 schrieb er:
"Und eben daher ist laut sicherer Nachricht das einzige Präservativ vom Scorbut anheut zur See, dass alle Schiffe eine Quantität Sauerkraut mit führen und ihren Botsknechten wochentlich ein paarmahlen ausheilen lassen."
Die Niederländer beherzigten den Rat als erste. Die Briten folgten. Weithin bekannt wurde das Sauerkraut als Schiffsproviant und Antiskorbutmittel durch die spektakulären Seereisen des James Cook mit der "Endeavour" von 1768 an. Ähnliche Erfolge im Kampf gegen den Skorbut wurden nur durch Zitronensaft erzielt. Da der teuer war, setzte auch die Royal Navy vor allem auf Sauerkraut. Trotzdem wurden die englischen Matrosen bald nach dem Limonensaft als "Limees" bezeichnet, während die Deutschen allgemein in den angelsächsischen Ländern mit dem Spottnamen "Krauts" (eben von Sauerkraut) belegt wurden.
Klaus Gille
Mit kulinarischen Gruß
Günther Ahr
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