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Alt 04.07.2005, 13:04   #2
black-brown-white
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Registrierungsdatum: 22.06.2005
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AW: Schinkensorten und Herstellung

Hallo KingKreole,
ich habe mit Interesse deinen Beitrag zum Schinken gelesen und wollte aus Barcelona die Liste noch etwas erweitern:
dort war ich auch in einem Geschäft und ging einer meiner Lieblingsdelikatessen nach:
dem Real Pelotta Iberico, dem teuersten und auf jeden Fall besten Schinken der Welt:
fahren wir kurz gedanklich in die Extremadura, einem Landstrich im Westen Spaniens, mit Stein- und Korkeichenbewaldung.
In einem Gebiet so groß wie die Schweiz, leben nur eine Million Menschen und wahrscheinlich ist es mal wieder der jüdisch-christlich-maurischen Mischung zu verdanken, dass wir heute diesen Schinken erleben dürfen. Ja auch den muslimischen Mauren, denn diese brachten den Edelschimmelpilz, wahrscheinlich nach Spanien!
Dort in der Dehesa lebt ein Schwein, welches eher den Wildschweinen, als den Hausschweinen zuzuordnen ist und es hat schwarze Hufe. Heisst iberisches Schwein und die meisten kennen es unter der Bezeichung:
Pata Negra, der schwarzen Hufe wegen.
Dieses Schwein kommt ansich mit sehr wenig Nahrung aus und bildet wahrscheinlich auch deshalb sehr schnell Fettgewebe, welches aber durch viel Bewegung tief das Fleisch durchzieht. Entgegen der meisten Vorurteile ernährt es sich nicht nur von Eicheln, sondern hauptsächlich von Gräsern, Wurzeln und Kräutern. Im Sommer kommen dann meist Oliven dazu, die einen weiteren Teil des gewaltigen Bouquets ermöglichen. Erst im Herbst, wenn die Eichen Ihre Früchte freigeben, kommt das Iberische Schwein zu seinen geliebten Eicheln. Davon frisst das Schwein innerhalb weniger Monate soviel, dass es bis zu 80 Kg zunimmt! Mit 180 Kg wird es dann im Winter geschlachtet und mit sehr viel Zeit, Geduld und Können gereift.
Bis zu 30 Monate reifen die Hinterkeulen, die etwa 10 Kg schwer waren.
Nachdem man sie ausbluten ließ, salzt man sie je nach Grösse und vorallem je nach Höhe der Produktionsstätte ein(je höher die Lage, desto weniger Salz braucht man) und lässt das Fleisch 14 Tage in der geschlossenen Salzdecke. Immer wieder umlagern ist wichtig.
Danach werden die Schinken gewaschen und lagern bei 6 -8 Grad etwa sechs Wochen. Dann erst beginnt der eigentliche Reifeprozess, denn nun werden die Schinken an Seilen aufgehängt und lagern in den Trocknungsräumen.
Wenn die Temperatur im Frühjahr steigt, verliert die Keule ein Drittel ihres Gewichtes durch Schwitzen. Dann werden die Schinken umgelagert und zwar in kühlere Lager und gleichzeitig mit dem Edelschimmelpilz versetzt. Hier hängen sie nochmals 14 Monate.
Der fertige Schinken ist durchzogen von ungesättigten Fettsäuren der Eicheln und Oliven und die besten bekommt man: Fregenal de la Sierra, Oliva de la Frontera und Higuera de Real.
Vorsicht aber nur der Real Pelotta Iberico erfüllt diese Voraussetzungen!!!!
Alle anderen Pelotta(=Eichel) Schinken werden nicht ausschliesslich frei gehalten! Sehr feine Aromen! Man hat den Eindruck der Schinken schmilzt auf der Zunge, wie Schokolade.
Preis pro Kg bei 120 Euro.
Ebenfalls empfehlenswert ist Lomo, Filet vom iberischen Schwein, mit dem besten Paprika der Welt, der ebenfalls in der Extremadura erzeugt wird, gewürzt.
Darüber hinaus werden aus den Resten wunderbare Chorizos gefertigt.

Neben dem Real pelotta Iberico ist auf jeden Fall der Jabugo zu erwähnen, der aus Andalusien, vielmehr aus der Gegend des Scherry stammt.
Jeres de la Frontera und auch dieser Schinken wird aus der gleichen Rasse gewonnen. er ist aber wesentlich kräftiger und rustikaler als sein Konkurent aus der Extremadura.
Auch andere Provincen züchten das iberische Schwein und hierbei ist die Provinz Cordoba hervor zu heben.

Ich hab mir aus diesem Laden der sich nur mit den Texturen des iberischen Schinkens beschäftigt ein Lomo und einen Jamon Real pelotta Iberico mitgenommen und teilweise gestern verspeist. Wahnsinn!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Übrigens hab ich bei
meiner Aufzählung der Schinken auch den San Daniele vergessen:
dieser bei weitemm bessere Schinken, im Vergleich zum Parmaschinken, hat leider in den letzten Jahren sehr gelitten.
Früher war er im Gegensatz zum Parmaschinken, der stark durch Milchmast auffällt, durch Freilandhaltung und Kräuternahrung gekennzeichnet, heute unterscheiden sich nur mehr wenige Keulen von dem Massenprodukt aus Parma. Auch in Parma gibts natürlich bessere, aber das sind gannz wenige. Die Venezianer hüteten früher dieses ebenfalls spezielle Langbeinschwein, durch Drakonie! Wer eines stahl, oder sein Wissen weitergab wurde getötet, wie beim Muranoglas eben. Sie nutzten die Schinken als Zahlungsmittel und so wurde der Schinken aus San Daniele, unweit von Venedig sehr berühmt.
Momentan schmecken die meisten San Daniele wie billigste Parma, die ohnehin aus Holland,..... kommen und nur zum Stempelholen Italien kennen lernen. Hier trägt die EU gewaltig Schuld!
Der Verordungswahn um den Schwarzwälder Schinken ist ja gerade hochgekocht.
So ein Schiksal kann es auch einmal bei den anderen Schinken gehen!
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