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Alt 15.06.2006, 13:56   #1
Karl
Gast
 
Beiträge: n/a
Kochen: Verantwortung für Gast, Kultur und Umwelt

Hallo,

Kochen, und noch viel mehr Feinschmeckerei, ist mehr als nur zu sättigen.
Wer Essen zubereitet trägt in hohem Maße Verantwortung, auch wenn das manch einem nicht, oder nur unzureichend bewußt ist.
Um nicht einfach meine Privatansichten zum Besten zu geben, lasse ich an dieser Stelle mal einen prominenten Vertreter aus der Zunft der Köche zu Wort kommen, einen Koch den ich persönlich sehr schätze und dessen nachfolgend vorgestellten Grundsätze ich zu 100 Prozent teile - Vincent Klink:

Zitat:
Wenn wir Traditionelles kochen, dann modernisieren wir dieses Gerichte jedoch absichtlich nicht. Maultasche muß Maultasche bleiben und da gehört kein Lachs oder sonstiger Zeitgeist hinein.



Dem Ruf nach Raffinesse folgen wir nicht.

1.) Die Qualität des Produkts wird vom Geschmack, dann erst vom Aussehen bestimmt.

2.) Bio-Produkte haben Vorrang. Allerdings, grün geerntete Demetertomaten sind auch nicht unser Fall.

3.) Lebensmittel sind ganzheitlich zu verarbeiten. Gute Produkte erzeugen wenig "Abfall", bzw. gar keinen. Beispiel: Gemüsestrünke sind zu Gemüsefonds zu verwenden. Selbst kleine Fleischpartikel sind Brühen zuzuführen und nicht dem Abfalleimer.

4.) Die Natur ist so gut, daß optimale Naturerzeugnisse selten durch den Koch verbessert werden können.

5.) Der Spielraum des Kochs beschränkt sich auf nur Weniges:
a) Saisonale Auswahl
b) Art der Garung
c) Garzeiten
d) Würzung
e) Kombination mit anderen Produkten (Vorsicht!)
f) Portionierung
g) logische Anordnung auf dem Teller.

6.) Alle eingesetzten Lebensmittel dürfen nicht manipuliert werden, sie müssen nach dem schmecken was sie sind, "echt" bleiben. Also: Kein Glutamat, keine künstlichen Aromen, auch keine Gemüseschnitzkunst.

7.) Manchmal ist der Geschmack durch Eingriffe des Kochs steigerbar. Trotzdem darf er sich nicht vom Produkt entfernen, muß immer erkennbar und nachvollziebar sein.

8.) Verfeinerung begrenzen. Der Schritt von höchster Verfeinerung zur Dekadenz ist nur ein kleiner.

9.) Die Kunst des Weglassens. Also kein Zierrat. Alles was auf dem Teller liegt, muß geschmacklich optimal und eßbar und der Thematik des Gerichts entsprechen.

10.) Das Schmutzigste an der Kochkunst ist selten die Ware, sondern der Koch und seine Gerätschaften. Deshalb sollten Produkte (auch von sehr sauberen Köchen) so wenig wie möglich angefaßt werden. Nach dieser Maxime sind der Tellerdekoration Grenzen gesetzt.

11.) Was auf der Karte steht, muß deutlich erkennbar und von der Quantität der Erwartungshaltung des Gastes entsprechen. Keine hohlen Phrasen.

12.) Es geht nicht um Effekte auf dem Teller. Die Harmonie des Gerichts ist das Ziel. Wir kochen für Zunge und Gaumen und für Leute bei denen Schmecken noch funktioniert. Dies im Gegensatz zum allgemeinen Trend, daß diese beiden Sinne am Verkümmern sind und viele Menschen Essen nur noch nach dem Auge beurteilen können.

13.) Wir Köche sind beruflicher Ethik verpflichtet, danach kommen erst "unsere" Küchengrundsätze und dann erst die Wünsche des Gastes. Der Gast soll danach entscheiden, ob unser Tun gefällt. Es geht also nicht darum, alle glücklich zu machen, sondern sich eine Anhängerschaft zu schaffen. Diese eindeutige Haltung polarisiert. Die einen werden uns lieben, die anderen uns meiden. Es allen recht zu machen führt zu Verwaschenheit und Kompromiß-Sklaverei. Der Kompromiß ist nie das Optimale, sondern die bestmögliche Notlösung.

14.) Der Deutsche liebt das "Zappen". Wir sind jedoch nicht für kulinarische Videoclips zuständig. Kurzum, keine Amuse-Bouche-Menüs. Gerichte sollten so sein, daß sie mit jedem Bissen besser schmecken. Also kulinarische Wanderung und nicht Löffelfood und kurz gehackten Kulinaria-HipHop.

15.) Für uns gilt Konzentration anstatt Zerstreuung. Also keine Variation vom Ochsenschwanz oder sonstige Potpourris.

16.) Wir haben unsere Fleischlieferanten in der näheren Umgebung und können die Herkunft bis zum Bauern zurückverfolgen. Keine Kompromisse, kein Fleischeinkauf bei einem Großhändler.

17.) Keine vakuumgereifte Ware. Möglichst ganze Tiere oder große Teile einkaufen, also ganzes Reh, ganzen Hasen etc. Dies führt automatisch zu "vergessen Gerichten", zur Pflege der sogenannten "einfachen Küche", die ausstirbt, weil sie so arbeitsintensiv und schwierig zu kochen ist.


Es ist schön dem Zeitgeist zu folgen.

Schöner ist es aber eine Antwort darauf zu haben.


http://www.wielandshoehe.com/441.0.html

Der Mann spricht mir aus der Seele und vieles von seinen Grundsätzen habe ich hier und andernorts mehr oder weniger genauso zum Ausdruck gebracht.
Vielleicht hat ja noch jemand anders eine Meinung dazu.

Gruß
Karl
 
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