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Taillevent

Rubano liegt ein paar Kilometer von Padua entfernt, kein Mensch würde sich dafür interessieren, wenn sich hier nicht das Familienimperium der Alajmo befände. Dieses umfasst neben einem Hotel, einer Delikatessenhandlung, einem Bistrot noch das Restaurant Calandre, das viele als bestes Restaurant Italiens bezeichnen.
Den Dresscode regeln die Italiener über die Klimaanlage, unsere Mitgäste in ihren Spaghettiträgerkleidern und Kurzarmhemden hatten mein aufrichtiges Mitgefühl.
Calandre hat eine ausgezeichnete Homepage, so waren wir betreffend Speisen- und Weinauswahl vorbereitet. Das Menu "I grande classici delle Calandre" ist für einen Erstbesucher wohl die richtige Wahl. An der Weinbegleitung waren wir wie immer nicht interessiert, daher kurze Kontrolle in der unhandlichen Weinkarte, ob die gewünschten Weine auch da sind, dies nutzte der Service, uns im Blitztempo zwei Bouches und das dazugehörende Besteck vor, neben und halb unter die Weinkarte zu servieren. Leider ist dies eine weit verbreitete Unsitte, die Bouches haben vor Abschluss der Bestellung nichts auf dem Tisch verloren. Als ich das zweite Bouche stehen ließ, handelte ich mir eine - wohl gutgemeinte - Ermahnung ein.
Der ausgesuchte Wein war dann im Keller nicht zu finden, welche der beiden vorgeschlagenen Alternativen der bessere sei, wollte der Sommelier, auch ein Alajmo, nicht verraten. Als wir auch seinem Weißweinvorschlag nicht folgten, verspielten wir endgültig sein Wohlwollen.
Zuerst gab es eine kalte Suppe aus Früchten und Gemüsen im Stein, perfekt abgestimmt, ich vergaß schon wieder den etwas unglücklichen Beginn.
Dann einen Cappuccino di seppie nero, eher ein optischer Gag, leichte Kartoffelcreme mit schwarzen Flecken.
Weiter mit knusprigen Cannelloni mit Ricotta und Büffelmozzarella, unspektakulär, wohl eher ein Sättigungsgang.
Auf den Risotto allo zafferano con polvere di liquirizia war ich sehr gespannt, allein der Lakritzegeschmack war kaum wahrnehmbar.
Aber dann kamen die Fleischgänge, hier zeigen die Italiener, wo der Hammer hängt, klare ***, zuerst ein Tartar (battuta) vom Piemonteser Fleisch mit schwarzen Sommertrüffeln, dann ein gebratenes Spanferkel mit Kartoffelcreme und Amatriciana.
Die Roquefort-Creme mit der Kruste aus geeisten Erdbeeren schmeckte dann wieder so fragwürdig wie es klingt, passt nicht zusammen.
Der Dessert Cioccolato nocciola e caffè in tazza, unspektakulär, ordentlich, das bekomme ich auch in deutlich einfacheren Restaurants, allerdings vielleicht nicht in Italien.
Am Beispiel Calandre sieht man, wie entscheidend die Erwartungshaltung ist. Waren wir bei Eselböck noch begeistert, dass manche Gänge *** sind, waren wir hier enttäuscht, dass manches nicht *** ist. Bei 190 € Menupreis sollten jedoch schon alle Gänge ein besonderes Erlebnis sein.
Zusammenfassend kann man anmerken, ganz so gut, wie sie glauben, sind sie nicht, aber 18,5 Taillevent-Punkte finde ich angebracht.
Kulinarische Grüße
Taillevent

black-brown-white

hmmm taillevent, entsprechend deiner beschreibung warst du aber mit den punkten grosszügig. irgendwie war der besuch ja doch eine etwas enttäuschende angelegenheit, wenn ich den text richtig interpretiere und dann 18,5 punkte?
im calandre war ich noch nie, leider. gehört hab ich schon viel davon, vielleicht hatten sie einfach einen schlechten tag, oder besser durchzogen.
manche schwärmten mir sehr davon vor, andere meinten sie seien nicht mehr auf der höhe der zeit. sofern die gerichte schmecken und ich nicht schon ewig immer das gleiche vorgesetzt bekomme, spielt letzteres argument keine rolle. ein guter klassiker ist mir lieber als so manch anderer.
auf jeden fall danke für den interessanten bericht und liebe gruesse:

bbw

Taillevent

Interessant, dass ich hier bei der Punkteverteilung einen eher großzügigen Eindruck mache, in meinem Freundeskreis gelte ich vielfach als sehr kritisch.
Drei Gänge (Suppe, 2 x Fleisch) sind 20 Punkte, da können schon ein paar durchschnittlich sein, damit es 18,5 gibt. Handwerklich sind natürlich auch die schwächeren Sachen perfekt. Ich schreibe keinen Totalverriss, nur weil ein paar Sachen verbesserungswürdig sind. Insgesamt betreiben die ihr Geschäft auf extrem hohem Niveau, trotzdem werde ich wohl nicht mehr hingehen, es gibt genügend Alternativen in dieser Preisklasse. Italiener reagieren eben vielfach sehr empfindlich, wenn man ihre Erwartungshaltung nicht erfüllt, so gesehen, habe ich auch Fehler gemacht. Trotzdem glaube ich, wer bezahlt, schafft an, selbstverständlich in einem vernünftigen Rahmen.
Kulinarische Grüße
Taillevent

black-brown-white

hallo taillevent, ich vergleiche mit deinen sonstigen bewertungen und da kommt dem calendre eine sehr hohe punktezahl zu. wie du es schriftlich dargestellt hattest, klang das eher zu hoch.
beim essen halten mich alle für einen spinner und streng, sowie kritisch bin ich auch ziemlich. die kriterien muss ich immer wieder rechtfertigen vor meinem umkreis. was ist qualität, warum kocht ein haubenkoch besser als eine hausfrau, was ja nicht immer so sein muss.....

dass mit dem wer das geld gibt schafft an, naja das ist in itailen nicht immer ganz so. sofern es ihnen gut geht, ist dies kein unbedingtes kriterium, aus meiner erfahrung jedenfalls. sofern man im rahmen bleibt ist dies auch teilweise nicht tragisch, aber manche auswüchse, die cih so in meiner italienerfahrung gemacht habe, bzw. eher andere, sind nicht ganz ohne.
ich erinnere mich an meine exschwiegermutter die entschuldigt bitte den ausdruck sehr bieder und sparsam aussieht. mit ihr einen tisch zu bekommen war nicht leicht. darüber hinaus verstand sie nicht, dass man in einem ristorante mehr als einen salat bestellt......

denke du, knorhan und ein paar andere können sich vorstellen was ich meine.
liebe gruesse:

bbw

Taillevent

ja, bbw, ich gebe dir recht, der Text klingt wirklich kritischer wie die Punkte. Der entscheidende Punkt ist wirklich die Erwartungshaltung, was in einem guten Lokal gelobt würde, wird in einem Restaurant, das Maßstäbe setzen will, kritisiert. Ich würde ihnen mit der gezeigten Performance aber immerhin den dritten Michelinstern in Frage stellen, aber auch **Restaurants sind immer noch ausgezeichnet. Eben darum gebe ich meine Pünktchen an. Würde ich in einem weniger dekorierten Haus diese Kost bekommen, wäre ich von den Socken.
Insgesamt scheinen mir die Italiener schon eher komplizierte Gastgeber zu sein, schnell eingeschnappt und sehr stolz, vermutlich mache ich eine Italienpause. Insbesondere in Deutschland ist die Bereitschaft, Kundenwünsche zu erfüllen, deutlich höher.
Kulinarische Grüße
Taillevent

black-brown-white

hallo taillevent, ich komm mit den italienern hervorragend aus. die kompliziertheit bezieht sich meist auf touristen, die was kostet die welt auf der stirn tragen. bis auf ein paar ausrutscher kann ich mich nicht beschweren. es freut mich aber, dass du der deutschen gastronomie dich mehr zuwendest. von deiner geografischen warte aus, hast ja wirklich alles was rang und namen hat vor dir, fast alles. liebe gruesse:

bbw