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Alt 24.03.2008, 06:12   #1
sternefresser
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Registrierungsdatum: 13.06.2005
Beiträge: 19
Lächeln Sternefresser in Perl, das Victor's***

(Bildmaterial und weitere Informationen unter www.sternefresser.de)

Befreiung durch Emanzipation

Christian Bau hat zweifelsohne einen rasanten Aufstieg hingelegt. Nach seinen Lehr- und Wanderjahren in Achern (Kochlehre im Hotel Sonne-Eintracht), bei Gutbert Fallert in der 'Talmühle' (Sasbachwalden), der Absolvierung seines Wehrdienstes und dem 'Le Canard' in Offenburg zog es ihn in die Kaderschmiede unter den deutschen Küchen. Nach fünf Jahren (!) bei Harald Wohlfahrt, davon dreien als Sous-Chef, wurde er 1998 Küchenchef und Gastgeber auf Schloss Berg in Perl-Nennig an der Luxemburgischen Grenze. Seitdem wird sicherlich das eine oder andere "schwarze Steuerschaf" bei ihm eingekehrt sein, ob jedoch auch das Prominenteste unter ihnen zu Christian Baus Gästen zählte, konnten wir bisher nicht ergründen.

Auch die Auszeichnungen ließen an der neuen Wirkungsstätte nicht lange auf sich warten: der erste Stern im Jahre der Eröffnung, der zweite bereits 1999 und der dritte folgte 2005, den wir bei unserem ersten Besuch bereits prognostizierten. Sicherlich ein fulminanter Ablauf, dennoch konnten wir uns damals des Eindrucks nicht erwehren, dass der neueste 'Dreisterner' sehr verkrampft und bemüht wirkte.

Der geneigte Leser ahnt es bereits, Christian Bau ist ein neuer Mensch! Vollkommen gelöst und gleichwohl humorvoll tritt er im Gastraum auf, das spätere Gespräch zeigt das volle Ausmaß der Wandlung: der Meister vermittelt eine bisher nicht gekannte Freude an seiner Küche bei gleichzeitiger Konzentration aus das Wesentliche. Christian Bau scheint bei sich angekommen zu sein.

Der neue Christian Bau

Beim letzten Besuch im September 2006 war bereits eine gewisse Lockerheit zu spüren, die vielleicht auch mit der fortschreitenden Loslösung vom Lehrmeister Harald Wohlfahrt zusammen hängt. Hier, wie auch schon diverse Male zuvor, ist zu beobachten, dass derartige Entwicklungen durchaus stimulierend und anregend auf Küchenleistungen wirken können.

Die Sternefresser haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie gerade auch für die Geprellten und Gescholtenen unter den deutschen Top-Köchen ein Herz haben. Wie auch Juan Amador sieht sich Chrtistian Bau regelmäßig mit haarsträubenden und propagandistischen Besprechungen konfrontiert, die jeglicher Grundlage entbehren.

Zusammen mit dem bevorstehenden 10-jährigen Jubiläum auf Schloss Berg also ein willkommener Anlass, uns selbst ein erneutes Bild zu machen und die dortige Küche unserem gnadenlosen 3-Sterne-TÜV zu unterziehen.

Nach langer Fahrt endlich angekommen, gelingt es der Atmosphäre im Gourmetrestaurant ziemlich schnell, uns quasi hermetisch im Gourmethimmel einzuschließen. Dies ist nicht zuletzt dem hervorragenden und herzlichen Service unter Yildiz Bau zu verdanken. Der anschließende Blick auf das Empfehlungs-Menü ließ uns kurzzeitig schwindelig werden, da alleine die Anzahl der bevorstehenden Gerichte den Verlauf des Abends erahnen ließ. Aber einen Sternefresser kann so etwas nicht verunsichern, tapfer blickten wir den kommenden Genüssen entgegen...

Der Spannungsbogen begann mit verschiedenen Kräckern zum Champagner mit einem asiatisch inspirierten Amuse, das bereits zu Beginn die Filigranität der Kompositionen Christian Baus aufblitzen lässt: nichts wird dem Zufall überlassen, es herscht Perfektion bis ins kleinste Detail.

Taschenkrebs & Coquille Saint Jacques
Effilochée vom Taschenkrebs mit Jakobsmuschelrosette / Algenkrokant / Zitrusfrüchtevinaigrette mit Mirinessig / Zitrusfrüchteair

Eine kalte Vorspeise, wie sie besser nicht sein könnte. Hervorragende Produktqualität (die wir im Folgenden nicht mehr erwähnen, da sie fortwährend anzutreffen war), ein wunderbares Spiel mit Aromen und Texturen: leicht süßlicher Taschenkrebs in kleinen Stücken, samtig "ummantelt" von marinierter Jakobsmuschel, gestützt von der Säure der Zitrusaromen, die durch den Mirinessig (süßer Koch-Sake) perfekt ausbalanciert wurde. Als Krönung ein knackiger Krokant von Algen, der das Meeres-Thema noch mal in den Vordergrund stellte. Das Gericht erschien uns fast noch besser als Helmut Thieltges 'Delice vom Taschenkrebs mit Grapefruit auf Erbsenpüree', auf jeden Fall war es jedoch filigraner!

3 x Gänseleber aus der Landes
Gâteau mit grünem Pfeffer, Mango & Gewürzbrot / geeiste Gänselebercrème / Gänseleberravioli mit Enokipilzen in eigener Bouillon und 2 x Langoustine Langoustinentatar mit Entenleber / Mandeloel & grünes Apfelgel / gebackene Langoustine mit Entenlebercrème / Entenlebertopinki

Der Umgang mit Gänseleber gehört zu den großen Stärken von Christian Bau. Bereits die Beschreibung vermittelt, dass Bau eben kein Kopist ist, sondern seine Zusammenstellungen sehr bedacht und mit großer kulinarischer Intelligenz kreiiert. Das Gateau befindet sich in ähnlicher Form zwar schon längere Zeit auf der Karte, diesmal ist es jeoch mit einer pfeffrigen Note versehen. Die Süße der Mango ist wunderbar eingebunden, dazu ein phantastischer Pain d'epices als geschmackliches Fundament. Die Gänselberravioli hätten wir dazu nicht unbedingt gebraucht, obwohl sie für sich genommen einwandfrei war. Die Dominanz des Gateau ließ die Paarung jedoch unpassend erscheinen.

Die Kombination Langostine mit Entenleber ist hingegen neueren Datums. Sensationell insbesondere die gebackene Langostine mit einer himmlischen Entenlebercreme - krosse Außenseite, softer Kern, eine hervorragende Meeresfrucht umschmeichelt von einer Art Mayonaise aus Entenleber! Auch das Tartar hervorragend. Einzig die Topinki konnten geschmacklich nicht gegen die anderen Elemente ankommen.

Hier zeigte sich, dass sich Christian Bau noch weiter auf die wesentlichen Elemente konzentrieren muss. Die à-part-Gerichte sind schlichtweg überflüssig und lenken zu sehr von seiner sonstigen Perfektion ab.

Blauer Hummer
in Butter sanft pochiert / Schwarzwurzel - Maronen / Périgordtrüffel / Jus Crustacé

Was sollen wir noch sagen ? in jeder Hinsicht perfekt! Auch diese Zusammenstellung ist uns in dieser Art und Weise noch nicht begegnet, insbesondere die herzhaften erdig-nussigen Aromen der Maronen mit der leicht süß-säuerlichen Schwarzwurzel haben den Hummer in unerwartete Sphären befördert. Die "Kopfnote" bildete der famose Trüffel und ein Krustentierjus, durch den alle Aromen wie ein kleines Puzzle scheinbar nahtlos zusammen fanden.

Kalbsherzbries & roter Gamberoni
geröstetes Kalbsherzbries mit Rosmarin auf konfierten Zwiebeln / gegrillter roter Gamberoni / Rosmarinschaum und Kalbsbrustschmorjus

Das absolute Highlight des Menüs und eines unserer Top5-Gerichte aller Klassen und Zeiten! Zwei Protagonisten, die sich in nichts nachstehen und doch gegensätzlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite das Kalbsbries höchster Qualität (aus Luxemburg!), das auf einem Zwiebelconfit saß und uns fast um den Verstand brachte: ein besseres Zwiebelaroma, das die anderen Elemente nicht gleich ins Abseits stellt, kann man nicht zaubern. Als Gegenpart thronte ein superber Carabinero (in vergleichbarer Qualität nur bei Amador zu bekommen) auf Spitzkohl. Die beiden Elemente waren wie Ying und Yang, verbunden durch ein Rosmarinjus, welcher dem Ganzen die Krone aufsetzte. Letzthin noch etwas Jus von der Kalbsbrust als herzhafte Note und Basisaroma. Spektakulär und einfach himmlisch!

Seezunge vom kleinen Boot
das Doppelfilet Niedrigtemperatur gegart und mit Parmesan & mie de pain überkrustet / kleine Artischocken / Parmesanravioli / leicht gebundener Sud aus Iberico-Belotaschinken und Olivenöl

Kaum hatten wir uns vom letzten Gang erholt, servierte der Meister einen nicht weniger guten Gang, der weniger intensiv und herzhaft, aber trotzdem in sich hervorragend war. Die Seezunge war schonend auf unseren Verzehr vorbereitet worden, die Krus nur homöopathisch als kleiner Streifen angelegt, wunderbar kombiniert mit bissfesten Artischocken und einem mediterranen Sud aus Belotaschinken und Olivenöl. Von der Dramaturgie ließ uns dieser Gang nach der "Explosion dans la bouche" wieder etwas Luft holen.

... Text musste hier gekürzt werden ...


Fazit: 3-Sterne-TÜV mit Bravur bestanden! Christian Bau hat sich seit unserem letzten Besuch nochmals gesteigert, seine technische Brillianz gehalten, aromatisch und kompositorisch jedoch zugelegt. Die Gerichte wirken deutlich eigenständiger und innovativer, was die Aromenkombinationen anbelangt. Betrachtet man die Dramaturgie des Menüs, so kann man durchaus von Virtuosität sprechen, mit der er einen so phantastischen Abend arrangiert! Seine Handschrift ist nicht in der Erfindung oder Verwendung neuer Techniken, sondern in der perfekt abgestimmten Paarung von Aromen zu sehen. Im direkten Vergleich zu Juan Amador, einem weiteren Vertreter dieser Philosophie, fällt dies jedoch deutlich klassischer und etwas filigraner aus.

Die Einzelbetrachtung einiger Gerichte von Christian Bau zeigt, wie viel Potenzial noch in seiner Küche steckt: Bei einer weiteren Konzentration auf die wesentlichen Elemente, Abkehr von zum Teil überfordernden Variationen und Steigerung auf der Fleischseite sehen wir Christian Bau in der europäischen Elite mitkochen; eine deutschlandweite Betrachtung zeigt ihn bereits in der absoluten Spitze, auf Augenhöhe mit Wohlfahrt und Wissler.


Bildmaterial und weitere Informationen unter www.sternefresser.de.

Geändert von sternefresser (24.03.2008 um 06:28 Uhr). Grund: Korrekturen
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