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Alt 11.10.2010, 20:07   #1
Budi
Benutzer
 
Registrierungsdatum: 28.10.2009
Beiträge: 97
Uhlandstube im Hotel Krone, Tübingen

Hier mein Bericht zur Uhlandstube in Tübingen. Bilder im Blog:

http://budisfoodblog.wordpress.com/...krone-tubingen/

Zitat:
Ganz spontan besuchten wir diesen Sonntag in Tübingen die Uhlandstube, welche zum im Zentrum der Stadt gelegenen Hotel Krone gehört.

Um es vorwegzunehmen: Wir wurden etwas enttäuscht – bzw. sind vielleicht nicht das richtige Klientel – oder woran lag es?



Auch wenn das Hotel gut gelegen ist, wirkt das Restaurant von außen leicht unscheinbar. Vor dem Restaurant lockt jedoch eine für Tübinger Verhältnisse, sehr ansprechende eigenständige Karte mit Menüs, Klassikern und Tagesessen.



Das ****-Hotel, sowie Restaurant sind stilvoll eingerichtet, jedoch etwas veraltet. Das Restaurant scheint etwas im 50er- 60er Jahre Look stehengeblieben zu sein und wurde vermutlich bis heute auch so erhalten.

Das Klientel wurde anscheinend ins Inventar übernommen, so kamen wir uns vorerst leicht verloren vor zwischen all den Rentnern.

Da der Hauptspeiseraum etwas dunkel wirkte, entschieden wir uns für einen der Tische im helleren Vorraum, mit Blick auf das Stadtleben Tübingens.



Umso überraschender kommt die Speisekarte daher. Zwar stets klassisch, jedoch auch mit einem Hauch neuerer Trends der gehobenen Gastronomie bestückt.

So findet man Iberico-Schwein aber auch Trüffelrisotto auf der Karte. Die Weinkarte scheint dahingegen eher langweilig, mit wenigen einfacheren unbekannteren Weine aber auch anständig bodenständige Weine u.a. vom Weingut Aldinger. Man findet jedoch auch typische Spirituosen wie Campari und Champagner von Veuve Clicquot auf der Karte.

Um uns einen guten Eindruck von der Küchenleistung zu verschaffen, wählten wir das aktuelle Sonntagsmenü, welches aus vier Gängen zu akzeptablen 38€ bestand.

Vorerst wurde uns ein einfaches aber überzeugendes Amuse Bouche aus Zwiebelkuchen und neuerem Wein (evtl. Federweißer?) gereicht.



Die Vorspeise “ Jacobsmuscheln auf Ingwer-Kichererbsengemüse“ war jedoch ein sehr schlechter Start ins Menü. Die Kichererbsen waren nämlich im Gegensatz zu den auf den Punkt gegarten Jacobsmuscheln absolut steinhart. Nachdem also die zwei Muscheln gegessen waren, blieb noch ein guter Rest an Kichererbsengemüse übrig, welches ohne die Muscheln ziemlich trocken daherkam. Es war eher, als würde man Erdnüsse oder Macadamianüsse knabbern. Dabei hätte dieser Gang so gut sein können. Die Soße in Verbindung mit den feinen Ingwerstreifen war nämlich äußerst schmackhaft und passte sehr gut zu den Muscheln. Leider mussten wir jedoch einen Großteil der Kichererbsen zurüclgehen lassen. So etwas hätte bei einem Restaurant, welches absolut nicht ausgelastet war, eigentlich nicht passieren sollen.



Der nächste Gang war dann wieder besser, jedoch auch nicht überzeugend. Die Selleriecrèmesuppe wurde fein abgeschmeckt und bestens temperiert serviert und konnte geschmacklich überzeugen.



Dazu wurden uns sogenannte „Frischläse-Bonbons“ gereicht, welche man am besten mit kleinen Frühlingsrollen mit Frischkäsefüllung vergleichen kann. Diese frittierten Bonbons wurden jedoch vorbereitet und gekühlt serviert, wodurch der Teigmantel durch das Fett etwas schwammig und vollgesaugt daherkam. Auch hier war es wieder schade, da die Frischkäse-Bonbons an sich hervorragend die etwas mildere Supper ergänzten, jedoch einfach hätten frisch oder warm serviert werden sollen.

So harmonierten die Bestandteile des Ganges nur, wenn man die Teigbonbons in due Suppe gab, damit sie etwas wärmer wurden.



Der Hauptgang hätte eben so aus einem bodenständigeren Sternerestaurant stammen können:

Filet vom Iberico-Schwein auf Kartoffel-Olivenstampf und gebratenen Kräuterseitlingen. Leider gab es auch beim Hauptgang leichte Unstimmigkeiten. So waren zwar die Komponente des Hauptganges gut aufeinander abgestimmt, doch wurde das feine teure Iberico-Fleisch vermutlich zu spät serviert. Dieses erstklassige Fleisch, welches von Kennern wegen seines Eichelgeschmacks so geschätzt wird, wurde uns leicht zäh serviert und zog noch während dem Essensvorgang leicht nach und wurde eben immer fester. Dies war besonders schade, da das Fleisch geschmacklich erstklassig war und den starken Eichelgeschmack in sich trug. Auch die Soße schmeckte gut, ebenso der mit Oliven verfeinerte Kartoffelstampf. Doch all dies nützt wenig, wenn das Fleisch nicht mehr geschmeidig ist. Dies schmerzt bei einer solch edlen Zutat natürlich besonders.



Das Honigeisparfait war wiederrum besser. Intensive Honignoten wurdem im Parfait gut eingefangen und zu Ausdruck gebracht. Das Parfait war noch mit etwas Prickelbrause durchsetzt, was uns in diesem Restaurant wiederrum überraschte. Warum man jedoch im Oktober unbedingt ein Dessert mit Erdbeeren, Himbeeren und exotischer Passionsfrucht „verfeinern“ muss, wenn zum Desserthauptbestandteil ohnehin kein wirklicher Bezug besteht, bleibt für uns immer noch unverständlich.

Hier macht sich einfach wieder deutlich, dass ein Koch eben nicht gleich Patissier ist und somit in den gehobeneren Restaurants, welche kurz vor dem Sternebereich anzusiedeln sind, einfach eine wichtige Kompontente oft fehlt – ausgerechnet als Abschluss eines Menüs.



Insgesamt blieb bei uns also ein Essen mit leichtem Beigeschmack. Es ist schade zu sehen, welche Möglichkeiten hier verspielt wurden. Ebenso bedauerlich, dass bei jedem Gang immer wenige Mängel den Genuss verhinderten, die leicht beseitigt werden könnten.

Das Problem ist hier wohl auch, dass es in Tübingen schwer fällt als Restaurant sein Ding durchzuziehen. Hier wird versucht zweigleisig zu fahren. Einerseits zeigt die Karte und die verwendeten Zutaten, sowie Gedeck, dass eine deutliche Orientierung an die Sternegastronomie angestrebt wird, andererseits fehlt hier noch die nötige Kompetenz und Klarheit, um solchen Ansprüchen gerecht zu werden.

Was bringt feinstes Ibericoschwein, wenn es nicht mit ebensolcher Ehrfurcht zubereitet wird? Was nützen Amuse Bouche und kleine Spielereien, wenn die servierten Gänge nicht einmal genauer erklärt werden – oder werden können? Warum exotische Zutaten verwenden, wenn das Publikum kein Interesse daran zeigt?

Ein klassisches „Weder-Fisch-noch-Fleisch“-Erlebnis.
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